Östrogen/Gestagen-Kombinationen schützen nicht vor Demenz im Alter

  • 01.07.2003
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  • Redaktion

Kann eine Östrogen-Gestagen-Kombination altersbedingten Gedächtnisleistungsstörungen oder Demenzen, darunter solchen vom Alzheimer-Typ, vorbeugen? Darum ging es in der Women’s Health Initiative Memory Study (WHIMS), die Frauen im Alter von 65 Jahren und älter untersuchte. Die Probandinnen erhielten entweder ein bestimmtes Östrogen-Gestagen-Kombinationsarzneimittel oder ein Plazebo.

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die untersuchte Wirkstoffkombination nicht vor Gedächtnisleistungsstörungen bei Frauen im Alter von 65 Jahren und älter schützt. Vielmehr ist das Risiko für das Auftreten von Demenzen in dieser Altersgruppe erhöht und nimmt mit höherem Alter weiter zu. Das Risiko für das Auftreten von Demenzen bei Anwendung von kombinierten Hormonersatztherapie(HET)-Präparaten nach einer mittleren Anwendungszeit von etwa vier Jahren ist im Vergleich zur Placebo-Gabe um den Faktor 2 erhöht und macht 23 zusätzliche Erkrankungsfälle pro 10 000 Frauen und Jahr aus.

Die WHIM-Studie ist Teil der größeren Women’s Health Initiative (WHI)-Studie, die im Mai des Jahres 2002 nach 5,2 Jahren Laufzeit wegen schwerer Nebenwirkungen in der Behandlungsgruppe (Thrombosen, Herzinfarkt, Schlaganfall, Brustkrebs) vorzeitig abgebrochen wurde. Das jetzt bekannt gewordene Risiko für das Auftreten von Demenzen verstärkt die Sicherheitsbedenken gegen eine langfristige Hormonersatztherapie.

Die in der Fachzeitschrift JAMA [2003; 289; 2651-2662] veröffentlichten WHIM-Studienergebnisse sind unerwartet und stehen im Gegensatz zu den meisten bisherigen Untersuchungsergebnissen zum Einfluss einer HET auf Demenzen oder die Gedächtnisleistung im Alter. Die neuen Daten beziehen sich auf die Wirkstoffkombination von konjugierten Östrogenen plus Medroxyprogesteronacetat. Für andere Östrogen-Gestagen-Kombinationen gibt es keine Studien von vergleichbarer Größe und Qualität über die Risiken einer längerfristigen Anwendung. Solange solche Daten nicht vorliegen, kann man nach Ansicht des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nicht davon ausgehen, dass andere kombinierte HET-Produkte sicherer sind. Die Ergebnisse gelten nicht für Östrogen-Monopräparate. Zu diesen Medikamenten werden Informationen aus der fortgeführten WHI-Studie mit Östrogen-Monopräparaten noch in diesem Jahr erwartet.

In Deutschland sind Arzneimittel zur HET nicht zur Vorbeugung von Hirnleistungsstörungen bei Frauen im Alter zugelassen. Sie werden vor allem zur Behandlung von ausgeprägten Wechseljahresbeschwerden angewendet, und für ihre kurzzeitige Anwendung in dieser Indikation besteht weiterhin ein günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis. Eine Verordnung von Hormonersatzpräparaten mit dem Ziel, Gedächtnisleistungsstörungen oder Demenzen zu verhindern oder deren Auftreten zu verzögern, ist nach Ansicht des BfArM medizinisch nicht gerechtfertigt.

Außerdem werden HET-Präparate zur Vorbeugung einer Osteoporose angewendet. Es ist fraglich, ob dieses Anwendungsgebiet heute noch vertreten werden kann.

Das BfArM wird zusammen mit den nationalen Gesundheitsbehörden der EU die neuen Studienergebnisse auswerten und in die Nutzen-Risiko-Beurteilung von Arzneimitteln zur HET, insbesondere zur Vorbeugung einer Osteoporose, einbeziehen. 01.07.03

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