Schwangerschaft und Ernährung: Die untersuchten Mechanismen im Mausmodell sind auch beim Menschen nicht auszuschließen. © Martinan / iStock / Thinkstock

Übergewicht und Insulinresistenz: Wie die mütterliche Ernährung die Genfunktion bei Nachkommen verändert

  • 03.02.2016
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  • Redaktion

Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) haben untersucht, wie die mütterliche Ernährung die Fett- und Zuckerstoffwechsel der Nachkommen beeinflusst. Im Mittelpunkt standen dabei die epigenetischen Veränderungen, also Gen-Funktionen, die nicht auf eine Änderung der DNA-Sequenz zurückzuführen sind. Vor allem eine fettreiche Ernährung spielt demnach eine besondere Rolle.

Epigenetische Mechanismen im Schema. © pigurdesign / DIfE

Wie die Studie an Mäusen zeigt, führt eine fettreiche Ernährung während der Trag- und Stillzeit zu epigenetischen Veränderungen bei den Nachkommen. Diese Änderungen beeinflussen Stoffwechselwege, die durch das Darmhormon GIP (Gastric inhibitory polypeptide) reguliert sind, wodurch die erwachsenen Nachkommen empfänglicher für Übergewicht und Insulinresistenz werden, der Vorstufe zum Diabetes mellitus Typ 2. Ähnliche Mechanismen seien beim Menschen nicht auszuschließen, so Andreas F. H. Pfeiffer, Leiter der Abteilung Klinische Ernährung am DIfE.

GIP ist ein Hormon, das der Darm nach der Nahrungsaufnahme freisetzt und welches die Insulinausschüttung aus der Bauchspeicheldrüse stimuliert. Es beeinflusst den Stoffwechsel von Fettzellen sowie die Fettverbrennung in der Skelettmuskulatur und fördert als anaboles Hormon den Aufbau von Körpermasse. Seine Effekte vermittelt GIP über den sogenannten GIP-Rezeptor. Fehlt dieser wie bei der Gipr-/--Maus, so kann das Hormon seine natürliche Wirkung nicht mehr entfalten und die Tiere sind normalerweise vor Übergewicht und Insulinresistenz geschützt.

Da sich die GIP-regulierten Stoffwechselwege anhand des Gipr-/--Mausmodells gut untersuchen lassen, verwendeten die Forscher diesen Mausstamm für ihre Studie. Als Kontrolle diente der Wildtyp-Stamm des Mausmodells.

Studiendesign
Viele Wissenschaftler nutzen Mausmodelle, um bestimmte Zusammenhänge unter kontrollierten Bedingungen zu erforschen. © tiripero / iStock / Thinkstock

Zunächst teilten die Forscher die Mausmütter in drei Gruppen ein, die während der Trag- und Stillzeit unterschiedliches Futter erhielten:

  • Gruppe 1: Gipr-/--Mäuse, die fettreiches Futter erhielten

  • Gruppe 2: Gipr-/--Mäuse, die normales Futter erhielten

  • Gruppe 3: Wildtyp-Mäuse mit intaktem GIP-Rezeptor, die normales Futter erhielten


Alle Nachkommen der drei Gruppen bekamen nach dem Abstillen für 22 Wochen normales Futter und im Anschluss daran für weitere 20 Wochen eine fettreiche Kost.

Wie die Wissenschaftler beobachteten, nahmen die erwachsenen Nachkommen der Gruppe 1 und 3 unter der 20-wöchigen fettreichen Diät deutlich an Fettmasse zu, obwohl sie weniger fraßen als der Nachwuchs von Gruppe 2. Ebenso hatten sie erhöhte Cholesterin-, Zucker- und Insulinspiegel im Blut, wiesen vermehrt entzündliche Reaktionen im Fettgewebe auf, hatten größere Fettzellen und verbrannten weniger Fett in der Muskulatur.

Außerdem stellten die Forscher fest, dass die Aktivität verschiedener Gene bei Gruppe 1 und 3 im Vergleich zu Gruppe 2 verändert war. Dabei handelt es sich um Gene, die für die Fettverbrennung im Muskel und für Entzündungsprozesse im Fettgewebe eine Rolle spielen, oder die an der Regulation der Energieaufnahme durch das Gehirn beteiligt sind.

Die veränderten Genaktivitäten ließen sich dabei zum Teil auf DNA-Methylierungen zurückführen, so Pfeiffer. Die Ergebnisse würden zudem darauf hinweisen, dass GIP auch für die durch das Gehirn gesteuerte Regulation der Energieaufnahme eine Rolle spielt, indem es vermutlich indirekt die Insulinempfindlichkeit des Hypothalamus vermindere, äußerte sich der Endokrinologe.

Dies sei eine ganz neue Erkenntnis. Inwieweit sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen ließen, müsse sich noch zeigen. Hier sei noch sehr viel zu erforschen. Fest stehe jedoch, dass die Ernährung nicht nur direkten Einfluss auf ein Individuum hat, sondern auch noch dessen Nachkommen beeinflussen kann.

Quelle: DIfE



Weitere Informationen:

Die Studie ist ein interdisziplinäres Kooperationsprojekt des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD), an dem neben Wissenschaftlern des DIfE auch Forscher des Helmholtz Zentrums München beteiligt waren. Das Wissenschaftlerteam um Andreas F. H. Pfeiffer und die Erstautoren Michael Kruse und Farnaz Keyhani-Nejad publizierte seine Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift Diabetes (Kruse et al., 2016; 65:1-11).

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