Multiple Sklerose: Substanz im Nervenwasser schädigt Nervenzellen

  • 03.12.2003
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  • Redaktion

Lange hielt man die chronisch entzündliche Zerstörung so genannter Markscheiden, der Hüllen der Nervenfortsätze im Zentralnervensystem, für das Wesentliche der Multiplen Sklerose. Seit einigen Jahren (1998) weiß man aber, dass außer den Markscheiden auch die Nervenzellen selbst zerstört werden und diese Schädigung weitaus bedeutsamer ist als die Vernarbungen an den Markscheiden. Jetzt haben Forscher aus der Charité und der Universität Magdeburg ein fehlendes Bindeglied in der Kette der Schädigung gefunden

Bisher bekannt war, dass·die Entwicklung der Krankheit sich in mehreren Schritten vollzieht. Angestoßen wird der Prozess durch ein bisher noch unbekanntes Agens (eventuell durch Viren oder Bakterien). In der Folge wandern Immunzellen (sog. T-Zellen) in das Gehirn und ins Rückenmark ein. Dort greifen sie die Markscheiden, insbesondere ein darin enthaltenes Eiweiß, das Myelin, an und sorgen so für die punktuellen Zerstörungen der Markscheiden mit nachfolgenden, vielfältigen Narben (multiplen Sklerosen). Dadurch wird die Übertragung von Nervenerregungen auf Muskeln wesentlich gestört. Bei Patienten zeigt sich dies als Lähmung.

Bei der Zerstörung der Markscheiden, insbesondere des Myelins, durch die T-Zellen, entstehen Abbauprodukte. Dazu gehört das 7-Ketocholesterol. Diese Substanz konnten die Wissenschaftler des Charité in hohen Konzentrationen im Nervenwasser (Liquor) der Patienten mit Multipler Sklerose nachweisen, jedoch nicht bei Gehirnerkrankungen nicht entzündlicher Art. Sie fanden weiter heraus, dass das Krankheitsbild im Tiermodell der Multiplen Sklerose um so ausgeprägter ist, je mehr 7-Ketocholesterol nachgewiesen werden kann. Auch finden sich im Gehirn von Patienten mit Multipler Sklerose große Mengen dieses Abbauproduktes.

Den Forschern gelang es außerdem, zu klären, wie die Substanz indirekt am Untergang der Gehirnnervenzellen beteiligt ist: Im Rahmen der Entmarkungsvorgänge werden besondere Fresszellen im Gehirn, die Mikrogliazellen, aus ihrem Ruhezustand gewissermaßen erweckt. Dies geschieht in einer Art Kettenreaktion, deren Anstoß das 7-Ketocholesterol gibt. Es dringt in den Kern der ruhenden Mikrogliazellen vor und aktiviert dort ein besonderes Molekül (PARP-1). Durch diesen Mechanismus werden die Fresszellen (Mikroglia) befähigt, sich im Gehirn zu verbreiten, und Nervenzellen zu zerstören.

Vor diesem Hintergrund könnte 7-Ketocholesterols im Nervenwasser zukünftig als Marker für der Schwere der Multiplen Sklerose genutzt werden. Durch Hemmung oder Blockierung von PARP-1 - etwa durch neuartige Medikamente - könnte der Untergang der Nervenzellen vermindert oder gar verhindert werden. 03.12.03

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