Der globale Konsum steigt weiter an: Ist Fleisch aus dem Labor eine Alternative? © anyaivanova / iStock / Thinkstock
Der globale Konsum steigt weiter an: Ist Fleisch aus dem Labor eine Alternative? © anyaivanova / iStock / Thinkstock

Ablehnung und Akzeptanz: Fleisch aus dem Labor nur eine von vielen Strategien

  • 04.10.2017
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Seit 2004 tüfteln Forscher am Fleisch der Zukunft: in-vitro gezüchtet, ohne Massentierhaltung und ohne massiven Ressourcenverbrauch. Doch wie sieht es mit der gesellschaftlichen Akzeptanz für die Bulette aus der Petrischale aus? Wissenschaftlerinnen vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben dies unter anderem anhand von Interviews und einer Bürgerjury untersucht.

Die Wissenschaftlerinnen wollten mehr darüber erfahren, wie verschiedene Interessengruppen in der Gesellschaft In-vitro-Fleisch einstufen, zum Beispiel im Hinblick auf die wachsende Weltbevölkerung und einen steigenden Fleischkonsum. Dafür wendeten sie drei Verfahren an:

  1. Interviews mit fünf Experten aus den Bereichen Tissue Engineering (TE) (engl. für Gewebezüchtung), In-vitro-Fleisch-Forschung, Lebensmittel- und Umweltwissenschaften sowie mit sieben Stakeholdern aus den Bereichen Nichtregierungsorganisation (NGO), Politik, konventionelle Fleischproduktion, Öko-Verband und Systemgastronomie.

  2. Gesprächsrunden mit zwei Fokusgruppen à zehn Bürgerinnen und Bürgern aus dem städtischen und aus dem ländlichen Raum, je fünf Männer und fünf Frauen: In beiden Gruppen befanden sich vier omnivore Esser, drei Vegetarier und drei Veganer.

  3. Eine Bürgerjury bestehend aus elf Personen im Alter von 18 bis 25 Jahren. Ihre Teilnehmer stammten aus einer anderen Gegend als die Teilnehmer der Fokusgruppen. Die Forscherinnen erstellten mit der Bürgerjury gemeinsam ein Thesenpapier, das konkrete Handlungsoptionen für die Politik beinhaltet. 
Kein Platz auf dem Speiseplan
Silvia Woll forscht zur Akzeptanz von In-vitro-Fleisch. © KIT
Silvia Woll forscht zur Akzeptanz von In-vitro-Fleisch. © KIT

„Die meisten der in die Studie involvierten Personen waren abgeneigt, In-vitro-Fleisch zu essen", sagt Silvia Woll, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich "Innovationsprozesse und Technikfolgen" am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT. Fast alle Teilnehmer würden das Fleisch aus der Petrischale einmal probieren wollen, es aber nicht in ihren Speiseplan aufnehmen. 

Laut der Studie sieht die Mehrheit der Befragten im In-vitro-Fleisch eine von vielen möglichen Alternativen zur konventionellen Fleischproduktion. Die Forschung zu diesem Thema stößt innerhalb der Studie auf Akzeptanz. „In den Fokusgruppen und in der Bürgerjury wünschten sich die Befragten allerdings sehr stark eine Reduktion des Fleischkonsums und die Förderung von pflanzlichen Alternativen beziehungsweise die Förderung einer ökologischen Landwirtschaft", so Woll. Demnach wurden diese Alternativen von den Teilnehmern als die besten und einfachsten Lösungen dargestellt. In-vitro-Fleisch könne nur als Teil des Ganzen eine Rolle spielen, auf dem nicht der Hauptfokus liegen dürfe. Diese Meinung wurde nicht nur von den Vegetariern und Veganern, sondern auch von den omnivoren Essern geteilt.

Experten aus der Forschung sehr optimistisch

Auffällig war auch, so Woll, dass das heutige Ernährungssystem stark kritisiert wurde – insbesondere die Geisteshaltung der breiten Gesellschaft und der Wirtschaft zum Thema Fleischkonsum. Günstig und Masse stehe zu stark im Vordergrund.

Die Haltung der befragten Experten aus der In-vitro-Forschung unterschied sich erwartbar: „Für sie steht fest, dass es in den nächsten zwei bis fünf Jahren marktreife Versionen geben könnte. Diese Experten sehen Laborfleisch als einzige realistische Lösung, da sich unser Fleischkonsum nicht verändern wird", sagt Woll. Entwicklungen in China und Indien würden zeigen, dass der Fleischkonsum global weiter steige und es sei unrealistisch über Alternativen wie Fleischreduktion zu verhandeln.

Demgegenüber stehen derzeit noch technische Hürden, wie ein Gesprächspartner aus dem Bereich Tissue Engineering den Forscherinnen bestätigte. „Die für die Herstellung des Fleisches benötigten Zusätze sind derzeit noch sehr teuer und können nur schwer ersetzt werden. Zudem erfordert der Prozess sehr viele tierische Komponenten, was eigentlich ein 'No Go' ist", berichtet Woll. Auch wenn In-vitro-Fleisch richtiges Fleisch sei, sei gerade die tierleidfreie Herstellung von diesem Produkt ein wichtiges Ziel. Alles andere würde auf Dauer ein ethisches Problem darstellen und sei auch für die Verkaufsargumentation problematisch.



Diese Studie wurde in Ausgabe 1/2018 der ERNÄHRUNGS UMSCHAU veröffentlicht.

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