Vitamine C und E steigern Diabetes-Risiko bei Sportlern? - Kritische Betrachtung einer Studie

  • 09.06.2009
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  • Redaktion

"Antioxidantien, d. h. im Speziellen die Vitamine C und E stehen im Verdacht, bei Sportlern das Diabetesrisiko zu erhöhen" - so lautet eine Botschaft als Reaktion der Presse auf eine vor Kurzem neu erschienene Studie von Ristow et al. (2009).

Bei 40 gesunden jungen Männern, von denen 20 als trainiert und 20 als weniger trainiert eingestuft wurden, wurde der Einfluss der Einnahme von Antioxidantien auf die Insulinsensitivität nach einer vierwöchigen, anspruchsvollen Trainingsphase untersucht. Die Studienteilnehmer erhielten täglich 1 g Vitamin C und 400 IE Vitamin E oder ein Placebo. Im Ergebnis hatte das kräftezehrende Training schließlich einen Anstieg der Insulinsensitivität zur Folge, d. h. eine Verbesserung der Insulin-vermittelten Glucose-Aufnahme in die Zelle. Diese Reaktion konnte jedoch nur bei den nicht-Vitamin-supplementierten Sportlern beobachtet werden und blieb bei den Sportlern, die die Vitamine C und E erhielten, aus. Eine hohe Insulinsensitivität gilt als gesund-erhaltende körperliche Voraussetzung zum Schutz vor Diabetes.

Sportliche Belastung führt im Organismus durch oxidative Stoffwechselprodukte, d. h. aggressive Sauerstoffteilchen, die sog. freien Radikale, zu Stress. Ihre biochmischen Gegenspieler sind antioxidative Substanzen, wie beispielsweise die Vitmine C und E. Anhand der nur bei den Vitamin-behandelten Sportlern festgestellten, geringeren Glukoseaufnahme in die Zellen folgern die Autoren, dass eine Supplementierung mit den beiden Vitaminen C und E das Risiko für eine Erkrankung an Diabetes begünstigt. Die beobachtete geringere Glukoseaufnahme könnte als eine Insulinresistenz interpretiert werden. Diese kann, bei dauerhaftem Bestehen als Risikofaktor für die Entwicklung von Diabetes angesehen werden. Da freie Radikale gemäß den vorliegenden Beobachtungen die Glukoseaufnahme in die Zelle zu stimulieren scheinen, folgern die Autoren, dass die Unterdrückung der Bildung freier Radikale durch Antioxidantien eher negativ ist, da hierdurch der gesundheitsfördernde Effekt des Sports - Verbesserung der Insulinsensitivität - verhindert wird.

Dieser Schlussfolgerung ist zu erwidern, dass die Entstehung freier Radikale bei starker körperlicher Belastung vom Organismus nicht unbedingt erwünscht ist. Einen Beleg hierfür liefert neben der hier diskutierten Studie auch eine Vielzahl weiterer Studien, die gezeigt haben, dass sportliche Aktivitäten zu einer Adaptierung (Hochregulierung) antioxidativer Systeme, die die Bildung freier Radikale verhindern bzw. entstandene Radikale inaktivieren sollen, führt. Dies bedeutet, dass Trainierte über eine bessere antioxidative Abwehr verfügen. Die Bildung freier Radikale ist dadurch reduziert. Dass eine solche Reduktion keinen Einfluss auf die Insulinsensitivität hat, zeigt die Studie Ristows: Trainierte Teilnehmer, die das Supplement erhielten, unterscheiden sich von Trainierten, die ein Placebo einnahmen hinsichtlich der Insulinresistenz bzw. Sensitivität nicht! Eine Supplementierung mit den antioxidativ wirkenden Vitaminen C und E hat prinzipiell eine zu dieser Adaptierung vergleichbare Wirkung und somit eine Reduzierung freier Radikale zur Folge. Speziell Untrainierte können ihre aufgrund einer geringeren Adaptierung niedrigere antioxidative Abwehr durch die Vitamien C und E verbessern, was auch in der Studie von Ristow et al. (2009) gezeigt wird.

Auch die Annahme, dass eine vorübergehende Insulinresistenz das Diabetesrisiko durch eine Hemmung der Bildung freier Radikale erhöht, ist spekulativ. Bisher liegen keinerlei Daten hinsichtlich einer Entstehung des Typ-2-Diabetes durch eine vorübergehende Reduktion der Insulinsensitivität bei gesunden, normalgewichtigen Männern - wie von den Autoren befürchtet - vor. Vielmehr können die Resultate von Ristow et al. (2009) u. a. dahingehend interpretiert werden, dass der Anstieg der freien Radikale bei den nicht supplementierten Sportlern zwar einen positiven Einfluss auf die Glukoseaufnahme in die Zelle hat, aber durchaus langfristig zu anderen Schäden, wie z. B. Arteriosklerose, beitragen kann. Dies legt eine Vielzahl von Studien mit Induktion von oxidativem Stress (Bildung freier Radikale) nahe. Hier stellt sich demzufolge die weitaus wichtigere Frage, welche Mengen an Antioxidantien bei Sportlern nötig sind und in wie weit diese durch die Ernährung erreicht werden können.

Die Autoren argumentieren, dass durch eine Obst- und Gemüse-reiche Ernährung, nicht jedoch durch eine Supplementierung, die Entwicklung der Krankheit Diabetes gehemmt werden kann. Problematisch ist, dass die Autoren die hierfür als Beleg herangezogene Metaanalyse von Hamer und Chida (2009) ganz offensichtlich falsch wiedergeben. Die Metaanalyse fasst fünf große Ernährungsstudien und neun Studien mit Anwendung von Antioxidantien zusammen. Sie kommt zu dem überraschenden Ergebnis, dass selbst der Konsum von fünf oder mehr Portionen Obst und Gemüse pro Tag lediglich zu einer Risikoreduktion um knapp 3% führt, während die Supplementierung von Antioxidantien eine Risikoreduktion um 13% zur Folge hat. Letztere war besonders bei Supplementen mit Vitamin E, das in Obst und Gemüse in nur sehr geringer Menge vorkommt, zu beobachten.

Es wäre zu wünschen, wenn die Autoren ihre hervorragende Methodik in einer vergleichende Studie an Personen mit Insulinresistenz anwenden würden, da diese in der Tat ein erhöhtes Krankheitsrisiko haben. Sollte sich hier zeigen, dass die Gabe der Vitamine C und E die Insulinresistenz langfristig weiter verschlechtert, so wäre in der Tat vor einer Anwendung solcher Antioxidantien zu warnen. Anhand des in der vorliegenden Studie von Ristow et al. (2009) gewählten Kollektivs, das aus gesunden Personen besteht und keinerlei Anhaltspunkte für eine prädiabetische oder gar diabetische Stoffwechsellage liefert, ist ein Versuch, den Stellenwert von Antioxidantien in der Prävention des Diabetes zu erörtern, wenig sinnvoll.
*Ristow M, Zarse K, Oberbach A, Klöting N, Birringer M, Kiehntopf M, Stumvoll M, Kahn CR, Blüher M. Antioxidants prevent health-promoting effects of physical exercise in humans. Proc Natl Acad Sci U S A, 2009 May 11. Quelle: Nutri-News Mai 2009 der Hohenheimer Ernährungsinformation (09.06.09)

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