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Verwirrung und Kritik: Kommentar zum BMEL-Ernährungsreport 2016

  • 11.02.2016
  • News
  • Dr. Udo Maid-Kohnert

Anfang Januar hatte Bundesernährungsminister Christian Schmidt unter dem Slogan „Deutschland, wie es isst“ die Ergebnisse einer telefonischen Umfrage als „Ernährungsreport 2016“ vorgestellt. Anschließend hagelte es Kritik von Seiten mehrerer Organisationen. Nicht nur der teils verhaltene Erkenntnisgewinn des Reports, auch die Verwechslungsgefahr mit dem „Ernährungsbericht" der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. sind uns einen Kommentar wert.

Das Cover des Ernährungsreports 2016. © BMEL

Es kann nie schaden, mehr über die Essvorlieben und das Ernährungsverhalten der Menschen zu erfahren. Denn nicht selten berichten wir in der ERNÄHRUNGS UMSCHAU über die so genannte Verbraucher-Verwirrung, die tatsächliche oder empfundene Unsicherheit der Konsumenten im Umgang mit Lebensmitteln und dem scheinbar schwierigen Weg zur gesund erhaltenden Ernährung.

Doch nun bin ich selbst verwirrt: Während Fachgesellschaften und Bundesforschungsinstitute Monate bis Jahre in Konzeption, Datenerhebung und Auswertung zum Beispiel der Nationalen Verzehrsstudie oder der Ernährungsberichte stecken, geht es ja offensichtlich viel schneller. Mal eben 1000 Leute telefonisch befragen, die Ergebnisse zu kurzen Slogans auf 24 plakativen Seiten eindampfen: So „spürt [man] Trends auf und bildet Entwicklungen ab“.

Der Erkenntnisgewinn ist eher verhalten: „81 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 14 und 18 Jahren geben an, sehr gern zu kochen! … Die unter 19-Jährigen kochen jedoch noch sehr selten – 30 Prozent von ihnen kochen normalerweise gar nicht selbst.“

Fragen der (grünen) Woche

Nun ist es unfair, dem ersten Report dieser Art vorzuwerfen, dass er noch keine Trends aufspüren kann, da muss man dann wohl die Reporte der Folgejahre abwarten. Bedenklich scheint mir doch, wie leichtfertig hier von „Angaben der Befragten“ auf „So isst Deutschland“ geschlossen wird.

Zwischen „…geben an, Fleisch zu essen“ und „…essen Fleisch“ besteht nun mal ein Unterschied. Der Deutungsstreit um die Befragungsergebnisse – mediengerecht hochgespielt im Umfeld der Grünen Woche – spiegelt die teilweise konträren Interessenlagen im Ernährungs-, Landwirtschafts-und Gesundheitswesen wider.

Für die Zukunft wäre eine bessere Abstimmung aller Gruppen, die sich um Gesundheit, Nachhaltigkeit und genussvolles Essen und Trinken der Bevölkerung bemühen, sicher wünschenswert. Sonst wird aus „Deutschland, wie es isst“ lediglich „Politik, wie sie nun mal ist!“

Dr. Udo Maid-Kohnert


Hintergrund

Die der Befragung für den „Ernährungsreport 2016" zugrunde liegende Stichprobe war mit 1000 Befragten (aus der Wohnbevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland mit ausreichend deutschen Sprachkenntnissen) geringer als zum Beispiel die Stichprobe des ZDF-Politbarometers (circa 1250 Befragte).

Der Report wurde von verschiedenen Organisationen scharf kritisiert: „Landwirtschaftsminister beschönigt Ernährungssituation in Deutschland“ (Deutsche Diabetes Gesellschaft). Foodwatch verglich die tatsächlich erhobenen Daten mit der gekürzten Publikation und attestiert „Suggestive Fragen, falsche Angaben, verzerrte Darstellungen“.

Außerdem hat die Namensähnlichkeit bereits zu Verwechslungen mit dem umfangreichen Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) gesorgt, der ebenfalls 2016 erscheinen wird.

Auf Nachfrage erläuterte das Ministerium: „Der BMEL Ernährungsreport ‚Deutschland wie es isst‘ ist eine politische Standortbestimmung und ein Stimmungsbild zu Entwicklungen, Trends und Verbrauchererwartungen in den Bereichen Ernährung und Landwirtschaft. Die repräsentative Umfrage wurde zum Jahresbeginn 2016 zum ersten Mal vorgestellt und soll in Zukunft fortgeführt werden. Der DGE-Ernährungsbericht ist eine im Vierjahresturnus erscheinende Veröffentlichung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die Ernährungsberichte schreiben Daten zur Ernährungssituation in Deutschland fort und stellen jeweils aktuelle Forschungsergebnisse vor. Sie dienen als wissenschaftlich fundierte, objektive Informationsquelle für alle in der Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und den Medien Tätige sowie für Mittlerkräfte.“

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