„Anti TKTL1 - Diät" bei Tumorpatienten – Stellungnahme der Deutschen Krebsgesellschaft

  • 12.05.2010
  • News
  • Redaktion

Tumorpatienten wird derzeit ein neue Ernährungsform empfohlen, bei der durch eine kohlenhydratarme, fettreiche Ernährung unter dem Einsatz spezieller, nicht deklarierter Lebensmittel („mit besonderen Kohlenhydratquellen“) Wachstum und Metastasierung der Tumore verhindert werden könne.

Die Empfehlung basiert auf der Annahme, dass Glukose zur Aggressionssteigerung einer Krebszelle beiträgt, wenn die Energiegewinnung in der Zelle durch Gärung und nicht durch Verbrennung stattfindet. Ein Vorgang, den man bevorzugt in Sauerstoff-mangelversorgten Tumoren bzw. Tumorarealen beobachten könnte. Dabei soll das Gen Transketolase-like-1 (TKTL1) eine entscheidende Rolle spielen. Sind Krebszellen TKTL1-positiv, fände die Energiegewinnung durch Vergärung mit dem Endprodukt Milchsäure statt, die u. a. Wachstum und Metastasenbildung des Krebsgeschwürs begünstigen soll (Möller,Coy EHK 2009;58: 61–69). Mit der Ernährungsumstellung könne diesem Prozess entgegen gewirkt werden.

Ernährungsexperten der Deutsche Krebsgesellschaft nehmen dazu folgendermaßen Stellung:
• Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine wissenschaftliche Untersuchung, die belegt, dass eine derartige Kostform mit den dazu verkauften Lebensmitteln Wachstum und Metastasierung eines Tumors beim Menschen verhindern bzw. zurückdrängen kann.
• Bisher liegt dazu nur eine Arbeit mit einem Mausmodell vor (Otto et al.BMC Cancer 2008;8:122). Hierbei wurde das Tumorwachstum lediglich verzögert. Tierversuche sind aber auf den Menschen nur sehr eingeschränkt übertragbar.
• Tumorzellen können sich prinzipiell mit allen Substraten ernähren, auch mit Eiweiss bzw. Aminosäuren, Fett bzw. Fettsäuren, Laktat und sogar Ketonkörpern (Sonveaux P. et al.J Clin Invest 2008;118:3930-3942; Kallinowski F. et al., Cancer Research 48, 1988).
• Ein Gärungsstoffwechsel ist bei vielen (meistens Sauerstoff-verarmten) Tumorarten nachgewiesen. Aber nicht jeder Tumor einer Krebsart zeigt auch einen deutlich ausgeprägten Gärungsstoffwechsel. Eine derartige Ernährungsform wäre daher nur bei Patienten mit solchen Tumoren sinnvoll, die Glukose verstärkt verstoffwechseln. Dies müsste erst für jeden einzelnen Tumor durch entsprechende Stoffwechseluntersuchungen festgestellt werden.
• Die Funktionen der TKTL1 bei einer Tumorerkrankung sind nicht geklärt und noch Gegenstand intensiver Forschung. Die TKTL1 ist nicht tumorspezifisch und ist auch in Normalgeweben nachweisbar, z. B. in normalem Brustgewebe (Bau L A. Das Transketolase-like-1 Protein (TKTL1) im Mammakarzinom www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/5478/) und weiteren Geweben (www.tktl1.eu)
• Die scheinbare enzymatische Aktivität des Proteins TKTL 1 ist nur in einem indirekten, gekoppelten Assay durch die Entstehung von NADH + H+ beschrieben, nicht jedoch wie für Enzyme üblich durch den eindeutigen direkten analytischen Nachweis der Reaktionsprodukte. Zudem muss das Protein hierzu in biochemisch reiner Form eingesetzt werden, damit Falschinterpretationen ausgeschlossen werden können. Beides ist in der Literatur momentan nicht beschrieben und es bedarf erst noch des einwandfreien biochemischen Nachweises, dass TKTL 1 tatsächlich eine eigene Transketolaseaktivität besitzt.
• Ein Nachweis von aktivierten Makrophagen (z. B. TKTL1 (EDIM Test)), die „Bruchstücke von Tumorzellen enthalten sollen“ ist ein unspezifischer Hinweis, mit dem kein sicherer Rückschluss weder auf einen vorhandenen Tumor noch auf bestimmte Tumoreigenschaften möglich ist.

Zum derzeitigen Zeitpunkt kann eine Anwendung der „Anti TKTL1 - Diät" nicht empfohlen werden. Die Ernährung eines Tumorpatienten darf kohlenhydratarm sein, wenn eine derartige Ernährung überhaupt nebenwirkungsfrei möglich ist. Spezielle Lebensmittel sind dazu nicht notwendig, zumal wenn die dafür kommerziell angebotenen Lebensmittel nicht deklariert sind. Quelle: Deutsche Krebsgesellschaft e. V. (12.05.10)

Das könnte Sie interessieren
Pflanzliche Speisefette und –öle. Teil 4: Palmöl weiter
Die Rolle der Ernährungstherapie in der Behandlung von Essstörungen weiter
Alternative Ernährungsformen weiter
MEDPass oder herkömmliche Verabreichung von oraler Nahrungssupplementation weiter
Diagnose-Tool für Schluckstörungen bei älteren Patient*innen: Vergleichsstudie belegt hohe... weiter
Mehr Schein als Sein: Nahrungsergänzungsmittel „made in Germany“ weiter