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Können Beschwerden außerhalb und innerhalb des Magen-Darm-Traktes auslösen: Getreideprodukte. © Medioimages / Photodisc / Thinkstock

Weizensensitivität: Ernährung an Symptome anpassen

  • 19.06.2015
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  • Redaktion

Magen-Darm-Beschwerden nach dem Verzehr von Getreideprodukten deuten nicht unbedingt auf eine Zöliakie oder auf eine Allergie gegen Weizenbestandteile hin. Die sogenannte Weizensensitivität als dritte, weniger bekannte, Störung kann ebenfalls dazu führen, dass Betroffene keine Getreideprodukte vertragen. Dies berichtet die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Eine angepasste Ernährungsweise kann die Beschwerden lindern.

Prof. Dr. Dr. Detlef Schuppan. © Peter Pulkowski

Bessern sich unklare Beschwerden unter glutenfreier Diät, kann dies einen Hinweis auf eine mögliche Weizensensitivität liefern. Wahrscheinliche Ursache der Weizensensitivität sind Eiweißstoffe, die wie Gluten in Weizen, Gerste und Roggen vorkommen. „Amylase-Trypsin-Inhibitoren, kurz ATIs, sind natürliche Eiweiße in Getreide, die bestimme Zellen des angeborenen Immunsystems aktivieren“, erklärt Professor Detlef Schuppan, Leiter des Instituts für Translationale Immunologie und der Ambulanz für Zöliakie und Dünndarmerkrankungen am Universitätsklinikum Mainz. Bei Menschen, die an einer Weizensensitivität leiden, führen die freigesetzten Entzündungsstoffe mitunter zu Bauchschmerzen oder Durchfällen.

Wie Schuppan und Kollegen in einer aktuellen Sonderausgabe des Fachmagazins „Gastroenterology“ zur Rolle der Ernährung bei immunologischen gastrointestinalen Erkrankungen erläutern, treten insbesondere auch Beschwerden außerhalb des Magen-Darm-Traktes auf. So können zum Beispiel Kopfschmerzen, Migräne, chronische Müdigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen auf den Verzehr glutenhaltiger Nahrungsmittel zurückgehen. Besonders schwer könnte die Weizensensitivität Menschen mit bereits bestehenden chronischen Entzündungen oder Autoimmunerkrankungen betreffen.

„In tierexperimentellen Studien verstärken ATIs durch die Aktivierung angeborener Immunzellen bestehende Entzündungs- und Autoimmunreaktionen“, erläutert Schuppan, der in Mainz und an der US-amerikanischen Harvard-Universität die Rolle der ATIs bei der Weizensensitivität untersucht. Es gebe hier deutliche Hinweise darauf, dass sich Symptome von Krankheiten wie Multiple Sklerose oder einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung durch diese Weizenproteine verstärken.

Keine strikte Diät notwendig

Menschen, die vermuten, dass sie Weizen, Roggen oder Gerste nicht vertragen, sollten sich einer gründlichen Diagnostik unterziehen, empfiehlt die DGVS. Derzeit erfolgt die Diagnose der Weizensensitivität nach dem Ausschlussprinzip: Können Ärzte eine Zöliakie, eine Weizenallergie und bestimmte andere Erkrankungen als Ursache der Beschwerden ausschließen, ist eine Weizensensitivität wahrscheinlich.

Allen drei Patientengruppen gemein ist, dass sie von einer glutenfreien Diät profitieren. Denn wer an einer Weizensensitivität leidet, vermeidet mit dem Verzicht auf Gluten gleichzeitig auch die problematischen ATIs. „Anders als bei Zöliakie ist bei einer Weizensensitivität eine strikte Diät nicht nötig“, erläutert Schuppan. Damit die Symptome verschwinden, reiche wahrscheinlich eine Reduktion gluten- und damit ATI-haltiger Lebensmittel um etwa 90 Prozent.

ATIs dienen der Pflanze unter anderem zum Schutz vor Schädlingen. Einige ältere Getreide wie zum Beispiel Dinkel, aber auch einige moderne Sorten können um etwa 50 Prozent weniger ATIs enthalten als andere moderne Sorten. Inwieweit verschiedene Weizensorten ATIs enthalten, ist derzeit Gegenstand eines interdisziplinären Forschungsprojektes. Schuppan ist zuversichtlich, dass die Diagnose der Weizensensitivität künftig einfacher wird: „Wir hoffen auf einen Serumtest, der gerade in der Entwicklung ist“, so der Experte.



Weitere Informationen:

Publikation: Non-celiac wheat sensitivity: Differential diagnosis, triggers and implications Schuppan D, Pickert G, Ashfaq-Khan M, Zevallos V Best Practice & Research Clinical Gastroenterology, June 2015, Vol. 29, Issue 3, p469–476 

http://www.dgvs.de/

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