Analyse von 160 Weizen- und Dinkelsorten: Seit Kurzem stehen bestimmte Proteine unter Verdacht, „Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität“ auszulösen. © Andrea Scala / iStock / Thinkstock

Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität: Forscher suchen nach verträglicheren Sorten

  • 23.03.2016
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Mediziner, Analytiker und Agrarwissenschaftler der Universitäten Mainz und Hohenheim haben sich zusammengetan, um das Phänomen „Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität" zu erforschen. Ihre Erkenntnisse könnten dazu beitragen neue Weizensorten zu züchten, die für Betroffene besser verträglich sind.

Alte Sorten wie Emmer werden auf ihre Verträglichkeit hin untersucht. © Universität Hohenheim / Oscar Eyb.

Bei einer „Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität" (NCWS) handelt es sich im Gegensatz zu einer Zöliakie und einer Weizenallergie um eine Intoleranz gegenüber Weizenbestandteilen. Als ein möglicher Auslöser gilt eine angeborene Immunabwehr, die durch Weizenproteine ausgelöst wird. Im Gegensatz zu einer klassischen Zöliakie, die chronisch und autoimmunologisch bedingt ist, konnten die Auslöser der NCWS lange nicht eindeutig bestimmt werden.

„Das Problem der NCWS war lange, dass man nicht wusste, durch was sie ausgelöst wird, bis wir in meinem Labor an der Harvard Medical School die α-Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs) als Aktivatoren der angeborenen Immunität im Darm identifiziert haben“, so Prof. Dr. Dr. Detlef Schuppan, Gastroenterologe, Biochemiker und Leiter des Instituts für Translationale Immunologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Seit Kurzem stehe damit diese Familie von Proteinen unter Verdacht, diese Art der Unverträglichkeit auszulösen, bestätigt Dr. Friedrich Longin, wissenschaftlicher Leiter des Arbeitsgebietes Weizen an der Universität Hohenheim. Die ATIs sind natürliche Proteine, die im Weizen vorkommen. Wie viele Proteine genau zu dieser Familie gehören, und wie sehr der Gehalt und die Zusammensetzung von der Sorte und den Umweltbedingungen im Anbau abhängen, ist aber noch unzureichend bekannt und nach bisherigen Erkenntnissen unter anderem von der jeweiligen Sorte abhängig.

Analyse von 160 Weizen- und Dinkelsorten

Eine Untersuchung zum ATI-Gehalt gibt es bisher nur aus den USA und nur an einer dort heimischen Weizensorte. Da das Vorkommen dieser Proteine aber besonders von der einzelnen Sorte und den Anbaubedingungen, also auch den Umwelteinflüssen, abhänge, werde eine eigene und standardisierte Untersuchung für die Weizenzüchtung in Deutschland gebraucht, erklärt Prof. Dr. Stefan Tenzer, Leiter der Core Facility für Massenspektrometrie am Institut für Immunologie der Universitätsmedizin Mainz.

Aus diesem Grund bauten die Forscher an drei verschiedenen Standorten in Hohenheim 150 Weizensorten an. Die Bandbreite reicht von modernen Elitesorten, wie sie aktuell von Bauern verwendet werden, bis zu wichtigen alten Weizensorten, die in den 1960iger - 1990iger Jahren angebaut wurden. Ebenfalls im Versuch sind zehn verschiedene Dinkelsorten. Inzwischen sind die Weizensorten geerntet, gedroschen und aufgereinigt und genauer im Labor untersucht.

Die Forscher verfolgen dabei drei Erkenntnisziele:

  • Herauszufinden, wie der natürliche ATI-Gehalt in den verschiedenen Weizensorten zustande kommt. Dazu gehört, ob es Unterschiede in den ATIs alter und neuer Sorten gibt, wie weit diese genetisch von den einzelnen Sorten abhängen und wie weit sie durch Umwelteinflüsse beeinflusst werden.

  • Erforschen, wie viele Proteine überhaupt zur Familie der ATIs in den untersuchten Weizensorten gehören und welche dieser Proteine primär die Immunantworten auslösen. Dazu werden die Ernteproben auf den ATI-Gehalt analysiert und ihre immunstimulatorische Wirkung unter anderem anhand von menschlichen Zellsystemen im Labor geprüft.

  • Erkennen, ob der ATI-Gehalt mit den Backeigenschaften zusammenhängt und wie der ATI-Gehalt in den Getreiden vererbt wird. Dazu wird der Weizen nach klassischen Qualitätskriterien bewertet.
Ziel: Besser verträgliche Weizensorten

Mittelfristig sollen die Erkenntnisse helfen neue Weizensorten zu züchten, die auch für empfindliche Bevölkerungsgruppen gut verträglich sind. Dabei müsse der Spagat gelingen, Weizensorten zu züchten, die einen geringen ATI-Gehalt und trotzdem gute Backfähigkeit besitzen, so Dr. Longin.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das deutschlandweit einzigartige DFG-Einzelprojekt „Weizensensitivität: Einfluss von Weizensorten und Anbaubedingungen auf die angeborene Immunität“ mit 680 000 Euro. Davon gehen 470 000 Euro an die Universitätsmedizin Mainz und die Universität Hohenheim erhält 210 000 Euro.

Quelle: Universität Hohenheim

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