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Übergewichtsbedingter Dickdarmkrebs ist eine Stoffwechselkrankheit

  • 24.03.2014
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  • Redaktion

Ein Wissenschaftlerteam unter Führung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch hat im Rahmen der EPIC-Studie drei Biomarker identifiziert, die bei Entzündungs- und Stoffwechselprozessen eine Rolle spielen sowie gleichzeitig mit Übergewicht und Dickdarmkrebs assoziiert sind. Sie weisen darauf hin, dass übergewichtsbedingter Dickdarmkrebs eine Stoffwechselerkrankung ist.

Die neuen Daten helfen, die Mechanismen der Dickdarmkrebsentstehung besser zu verstehen und neue Präventionsstrategien gegen die Krankheit zu entwickeln. Das Forscherteam publizierte seine Ergebnisse nun im International Journal of Cancer.

Wie die Forscher bereits 2006 gezeigt hatten, ist krankhaftes Übergewicht, das sich vor allem in einem erhöhten Taillenumfang äußert, ein Risikofaktor für Dickdarmkrebs. Auch die neue Datenanalyse bestätigt diese Beobachtung und zeigt, dass Frauen mit einem durchschnittlichen Taillenumfang von 93 cm im Vergleich zu Frauen mit einem Umfang von etwa 72 cm ein um 67 % erhöhtes Krebsrisiko hatten. Männer, deren Bauchumfang im Mittel bei 105 cm lag, hatten im Vergleich zu ihren Geschlechtsgenossen mit einem Taillenumfang von durchschnittlich 87 cm ein um 68 % erhöhtes Erkrankungsrisiko.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass besonders das Fett im Bauchraum eine Rolle für die Dickdarmkrebsentstehung spielt. Warum dies so ist, ist bislang wenig erforscht. Daher untersuchten die Wissenschaftler um Krasimira Aleksandrova und Heiner Boeing vom DIfE sowie Tobias Pischon vom MDC elf verschiedene Biomarker, um Hinweise auf die Stoffwechselwege und -mechanismen zu erhalten, die Übergewicht mit der Entstehung von Dickdarmkrebs verbinden.

In der aktuellen Studie waren drei der untersuchten Biomarker besonders stark mit dem Taillenumfang sowie dem Auftreten von Dickdarmkrebs assoziiert. Bei den Markern handelt es sich um das „gute“ HDL-Cholesterin, das niedermolekulare Adiponectin sowie den löslichen Leptinrezeptor. Je niedriger die Spiegel der Biomarker im Blut der Studienteilnehmer waren, desto höher war ihr Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken.
Niedrige HDL-Cholesterin-Spiegel weisen auf Fettstoffwechselstörungen hin. Dagegen haben hohe Konzentrationen davon im Blut vermutlich eine direkte, krebsschützende Wirkung, da HDL-Cholesterin Entzündungsprozessen entgegenwirkt, einen regulierenden Einfluss auf das Zellwachstum hat und die Produktion von Adiponectin fördert. Hierfür sprechen zumindest Ergebnisse von Tier- und Humanstudien.

Adiponectin ist ein Botenstoff, den die Fettzellen ins Blut abgeben und der u. a. über Eigenschaften verfügt, die das Tumorwachstum hemmen. Der lösliche Leptinrezeptor bindet den ebenfalls von Fettzellen freigesetzten Botenstoff Leptin. Studien lassen annehmen, dass er nicht nur den Energiestoffwechsel beeinflusst, sondern auch die Neubildung von Blutgefäßen bei Tumoren sowie das Zellwachstum fördert. Derzeit nehmen die Forscher an, dass der lösliche Leptinrezeptor die Bioverfügbarkeit des Leptins reguliert.

„Wir wissen im Moment noch nicht, ob die von uns identifizierten Biomarker direkt das Darmkrebsrisiko beeinflussen. Zumindest erscheinen aber die Stoffwechselwege, an denen die Biomarker beteiligt sind, eine Verbindung zwischen Übergewicht und dem Entstehen der Erkrankung darzustellen“, sagt Krasimira Aleksandrova, Erstautorin der Studie. Neue Untersuchungen seien notwendig, um bspw. zu klären, ob eine Veränderung der Biomarker-Spiegel das Dickdarmkrebsrisiko vermindert, so die Forscherin.

„Eine wichtige Botschaft, die wir von unseren Ergebnissen aber auf jeden Fall schon heute ableiten können ist, dass übergewichtsbedingter Dickdarmkrebs eine Stoffwechselerkrankung ist, bei welcher die von Fettzellen abgegebenen Substanzen wahrscheinlich eine entscheidende Rolle spielen. Vor 20 Jahren galt dies noch nicht“, sagt Ernährungsepidemiologe Tobias Pischon. Es sei daher sinnvoll, auf ein normales Körpergewicht und insbesondere auf den Taillenumfang zu achten, um der Erkrankung vorzubeugen, ergänzt Heiner Boeing, der die Potsdamer EPIC-Studie am DIfE leitet.

Literatur: Aleksandrova et al. (2014) Adiposity, mediating biomarkers and risk of colon cancer in the European prospective investigation into cancer and nutrition study. Int J Cancer 134(3): 612–621 [DOI: 10.1002/ijc/28368]

Quelle: Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) und Max-delbrück-Centrum für Molekulare Medizin Berlin-Buch, Gemeinsame Pressemeldung vom 17.02.2014 (24.03.14)

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