Die Diskussionsrunde (v.l.) mit Jan Spielhagen, Andrea Sonntag, Eva Maria Lemke, Anita Idel und Valentin Thurn. © Michael Braun / DAI

Diskussion zur Welternährung: Von Macht und Machern

  • 24.04.2015
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Im Deutsch-Amerikanischen Institut Heidelberg (DAI) trafen sich am 23. April vier Experten zu einem Gesprächsthema mit gesellschaftlichem Auftrag: Essen als Machtfaktor. Im Zentrum stand die Frage, wie wir uns künftig ernähren müssen, damit weltweit eine gerechte Ressourcen- und Nahrungsverteilung möglich ist. Mit von der Partie war neben Regisseur Valentin Thurn auch Beef!-Chefredakteur Jan Spielhagen.

Die Frage nach Essen und Ernährung ist heute mehr denn je auch eine Machtfrage. Dabei geht es sowohl um die eigene Entscheidungsmacht, also um das, was wir essen und warum, als auch um die Zusammenhänge von Politik und der Nahrungsmittelindustrie. Letztere kann laut Expertenrunde jeder Einzelne mit seiner Kaufentscheidung beeinflussen.

Bei der Podiumsdiskussion zu Veranstaltungsreihe „Essen ist Macht“ trafen inhaltlich keine Welten aufeinander. Wer eine hitzige Diskussion unter Fleischbefürwortern und Gegnern erwartete, wurde enttäuscht. Dafür bot die Runde dem zahlreichen Publikum jede Menge Anregungen und wertvolles Hintergrundwissen zur weltweiten Ernährungssicherheit. Moderiert wurde die Veranstaltung von der Journalistin Eva Maria Lemke (ZDF).

Kleinbauern spielen zentrale Rolle
Als Tiernahrung wird Soja zum Beispiel in Südamerika angebaut. © tropper2000 / iStock / Thinkstock

„Die Machtfrage betrifft vor allem die Form der Landwirtschaft, die Hunger erzeugt“, eröffnete der Regisseur Valentin Thurn die Diskussion. Der Filmemacher hat gerade sein neues Werk „10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“ in die Kinos gebracht. In dem Film sucht er nach Lösungen, wie eine steigende Weltbevölkerung künftig gerecht ernährt werden kann.

Eine zentrale Rolle spielen dabei die Kleinbauern. „50 Prozent des weltweiten Anbaus stemmen Kleinbauern“, weiß Anita Idel. Die Tierärztin war Lead-Autorin im Weltagrarrat (International Assessment of Agricultural Science, Knowledge and Technology for Development IAASTD) und arbeitet als Projektmanagerin und Beraterin für eine nachhaltige Landwirtschaft.

Dass Kleinbauern vor allem in der Lage sind, in Entwicklungs- und Schwellenländern die Bevölkerung zu ernähren, zeige ihre Effizienz, so Idel und Thurn. Problematisch werde es erst, wenn Bauern weltweit genötigt würden, Land an Großbetriebe etwa für den Anbau von Soja abzutreten, oder Hybridsaatgut zu kaufen und sich existenziell abhängig zu machen.

Andrea Sonntag, Referentin für Ernährungspolitik bei der Welthungerhilfe, erinnerte nochmals an die Tatsache, dass drei Saatgutunternehmen den Weltmarkt dominieren. Falle eine Ernte schlecht aus, haben die Bauern ein Problem und kein Geld, neues Saatgut zu kaufen. Hybride sind zur Nachzüchtung nicht geeignet. „Die Kleinbauern müssen sich vom Weltmarkt abkoppeln“, so Thurn. Dazu zähle auch, dass keine Flächen mehr für die weltweite Viehfutterproduktion ausgebeutet werden und die Menschen ihren Fleischkonsum überdenken.

Neue Wertschätzung für Fleisch

Selbst Jan Spielhagen, Chefredakteur der Männerzeitschrift „Beef!“ (Kochzeitschrift mit Schwerpunkt Fleisch), sprang auf diesen Zug auf: Kochen sei ein absoluter Megatrend, vor allem bei den Männern, darum sollte sich jeder intensiver mit dem Thema Fleischkonsum befassen. Das Stichwort könne zum Beispiel „Sonntagsbraten“ heißen. „Ich halte es für möglich, dass das Lebensmittel Fleisch wieder zu einer neuen Wertschätzung kommen kann“, betonte Spielhagen. „Leider interessieren sich viele Menschen nicht für die Herkunft ihres Essens.“

Aus dem Publikum wurde anschließend die Frage in die Runde gestellt, warum nicht mehr auf die Fehler der Politik aufmerksam gemacht würde, etwa auf Lobbyarbeit. Hier läge doch das größte Problem der Machtfrage. „Stimmt“, sagte Idel, „sehr oft sitzen Personen aus der Industrie in politischen Gremien und nehmen Einfluss“.

Das dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass jeder für sich den Weg der Politik und der Konzerne mitbestimmen könne. Über kleine Beiträge wie urbane Landwirtschaft oder den Einkauf auf regionalen Märkten habe jeder die Macht, etwas zu bewirken.

mya



Weitere Informationen:

Deutsch-Amerikanisches Institut Heidelberg (DAI)

Webseite der Veranstaltung 

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