Ursachen für Übergewicht und Fettsucht hinreichend bekannt - DGE beklagt Verunsicherung durch plakatives Infotainment

  • 25.06.2007
  • News
  • Redaktion

Die Verbreitung von Übergewicht in allen Altersgruppen der Bevölkerung zeigt, dass die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas in Zeiten des Nahrungsüberflusses und des Bewegungsmangels als Normalzustand anzusehen sind, wenn nicht bewusst gegengesteuert wird.

Insofern sind die Bemühungen der Bundesregierung, mit einem Aktionsplan das Ausmaß von Übergewicht reduzieren zu wollen, sehr zu begrüßen. Übergewicht und Adipositas sind als eine natürliche Reaktion auf eine chronisch-positive Energiebilanz anzusehen. Diese wird durch ein ubiquitäres und riesiges Angebot an schmackhaften Lebensmitteln sowie durch einen inaktiven Lebensstil begünstigt. „Widersprüchliche Berichte über die Ursachen dieser Entwicklung mögen zwar unterhaltsam sein, bestärken allerdings die Menschen darin, ihre Essentscheidungen und ihr Bewegungsverhalten auch weiterhin aus dem Bauch heraus mit den bekannten Folgen für den Bauchumfang zu treffen”, sagt Prof. Dr. Helmut Heseker, Vizepräsident der DGE.

Medienberichte und Talkshows haben in den letzten Wochen die Verbraucher mit Informationen zum Thema Übergewicht geradezu überflutet. Die Widersprüchlichkeit einiger der in Talkshows und Medienberichten gemachten Aussagen hat zu einer nicht unerheblichen Verunsicherung geführt. Verstärkt wird diese noch durch selbst ernannte Experten, Buchautoren und Publizisten, die in der Aufdeckung von echten oder vermeintlichen Widersprüchen einen neuen Markt entdeckt haben und für eigene geschäftliche Erfolge nutzen.

Widersprüchliche Aussagen zur Ernährung und Gesundheit werden auch gern als wirksame Strategie u. a. im Kampf um die Sicherung von Marktanteilen für bestimmte Lebens- und Genussmittel genutzt. Dabei ist hinlänglich bekannt, dass die Bevölkerung nicht bereit ist, eigene Ernährungs- und Lebensgewohnheiten zu überdenken oder sogar zu ändern, solange sie das Gefühl haben, dass noch ein erheblicher Dissens unter den Experten herrscht. Weltweit sind sich Ernährungsfachgesellschaften aber einig, dass Übergewicht nur durch eine ausgewogene, volumenreiche und zugleich kalorienärmere Ernährung sowie reichlich körperliche Bewegung vermeidbar sind.

Stark veränderte Lebensbedingungen in der Industriegesellschaft haben sehr kurzer Zeit zu einer starken Abnahme der körperlichen Aktivität in Beruf und Freizeit geführt. Die Ernährung wurde aber nicht an den verringerten Energiebedarf angepasst. Grundlegende Veränderungen im Essverhalten und der Esskultur sowie das große Angebot von immer und überall verfügbaren, preiswerten und schmackhaften Lebensmitteln führen dazu, dass es immer schwieriger wird, dauerhaft eine ausgeglichene Energiebilanz zu erreichen.

Der steigende Verzehr von fett- und zuckerreichen Lebensmitteln mit hoher Energiedichte und hohem glykämischen Index, ein gestiegener Fast-Food-Verzehr und "XXL-Portionen" wurden in wissenschaftlichen Studien als besonders ungünstig identifiziert. Weiter ist vermehrter Außer-Haus-Verzehr oft mit einem Verzehr größerer Portionsmengen verbunden. Problematisch sind auch energiereiche Limonaden, die kaum Sättigungssignale hervorrufen und in relativ großen Mengen getrunken werden.

Die vielfältigen Veränderungen der Ernährung und der Freizeitaktivitäten sind sehr schnell und innerhalb einer Generation eingetreten, so dass sich weder unser Stoffwechsel noch unser Lebensstil an diese veränderte Situation anpassen konnte. In der langen Evolutionsgeschichte hat sich die Fähigkeit, bei ausreichendem Energieangebot neue Fettzellen bilden und diese schnell mit Fett füllen zu können, als wichtiger Überlebens- und Fortpflanzungsvorteil herausgestellt. Die Gene des Menschen und der dadurch gesteuerte Stoffwechsel sind daher gut darauf eingerichtet, Situationen des Hungers und des Mangels, nicht aber solche der Überernährung zu meistern.

Da sich unsere „steinzeitlichen” Gene kurzfristig nicht verändern werden, ist es besonders wichtig, im Kindesalter so früh wie möglich mit der Ernährungsbildung anzusetzen, Obst und Gemüse in Bildungseinrichtungen und am Arbeitsplatz besser verfügbar zu machen und zu mehr Bewegung und Sport zu motivieren. Die Entscheidung, was gegessen wird und wie die Freizeit organisiert wird, hängt entscheidend vom Angebot an Lebensmitteln und Sport- und Bewegungsmöglichkeiten, den familiären Gewohnheiten, den kulturellen Bedingungen und dem ständig wachsenden Wissen um eine vollwertige Ernährung und Lebensführung ab.

Eine ausgewogene, volumenreiche und zugleich kalorienärmere Ernährung und reichlich körperliche Bewegung sind langfristig am ehesten geeignet, Übergewicht und Adipositas zu vermeiden oder zu reduzieren. (25.06.07)

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