Programmierung für späteres Übergewicht und Diabetes mellitus schon im Mutterleib

  • 25.07.2008
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  • Redaktion

Bereits im Mutterleib können Kinder die Grundlagen für späteres Übergewicht und Diabetes mellitus erhalten. Diese Form der pränatalen „Fehlprägung“ kann für ein lebenslang anhaltendes erhöhtes Erkrankungsrisiko sorgen. Langzeitstudien haben gezeigt, dass die Anlage solcher Risiken bereits während kritischer Entwicklungsphasen in der Fetalzeit und Neugeborenenperiode erfolgt.

„Die sogenannte Perinatale Programmierung ist ein neues Wissenschaftsgebiet, das auch international immer mehr Akzeptanz findet,“ sagt Prof. Dr. Andreas Plagemann, Experimentelle Geburtsmedizin, Klinik für Geburtsmedizin der Berliner Charité. Studien haben ergeben, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Gewicht der Mutter, dem Geburtsgewicht des Kindes und der weiteren Entwicklung des Kindes gebe.

So habe sich gezeigt, dass eine Überernährung und daraus resultierendes Übergewicht während der Schwangerschaft zu einem Diabetes der werdenden Mutter führen kann. Davon sind mehr als 10 % aller Schwangeren betroffen. Dieser Diabetes kann auch beim Kind zu einem erworbenen Diabetes mellitus oder krankhaftem Übergewicht (Adipositas) führen.

Die Häufigkeit von Adipositas im Kindes- und Jugendalter nimmt seit Jahren zu. Dieser Anstieg korreliert mit einem Anstieg des Geburtsgewichts von Babies. Zwischen 1978 und 1998 nahm das mittlere Geburtsgewicht dramatisch zu, in einer US Studie zwischen 1975 und 2003 um 116 g. Besonders bemerkenswert in Deutschland war der Anstieg in den neuen Bundesländern mit 151 g in nur 12 Jahren. Mehrere Studien sprechen dafür, dass die Zunahme des mittleren Geburtsgewichtes in direktem Zusammenhang mit den steigenden Zahlen von Adipositas im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter steht.

Es besteht ebenso ein Zusammenhang zwischen der Gewichtsentwicklung der Neugeborenen in den ersten Monaten nach der Geburt und dem späteren Risiko an Adipositas zu erkranken. Hier zeigten Studien, dass z. B. Kinder, die in den ersten vier Lebensmonaten übermäßig zugenommen hatten, als Jugendliche und Erwachsene ein deutlich erhöhtes Übergewichtsrisiko aufwiesen, auch unabhängig von ihrem Geburtsgewicht.

Da die Perinatale Programmierung nicht genetisch, sondern entwicklungsbedingt ist, können nur Programme für Schwangere Abhilfe schaffen. So ist es notwendig, z. B. ein bundesweites Diabetes-Screening für Schwangere einzuführen, damit die Erkrankung so früh wie möglich erkannt und therapiert werden kann. Ebenso sollte die Überernährung von Neugeborenen in den Fokus des Gesundheitssystems gerückt werden. Das Stillen von Neugeborenen über mindestens einen Zeitraum von 6 Monaten sowie die konkrete Aufforderung zum Stillen an die werdende Mutter könnte einem späteren Risiko zum Übergewicht und zum Diabetes zuvorkommen. Stillen senkt das Übergewichtsrisiko für Jugendliche und Erwachsene um etwa ein Drittel.

Die gesamte Übersichtsarbeit „Perinatale Prägung und lebenslange Krankheitsrisiken – Am Beispiel von Adipositas und Diabetes mellitus“ ist zu finden in ‚Der Gynäkologe 4/2008’. Informationen zu EU-gefördeter Forschung zur perinatalen Programmierung gibt es unter www.metabolic-programming.org. (25.07.08)

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