Bei der Entstehung von Übergewicht spielen persönliche Merkmale eine Rolle. ©monkeybusinessimages/iStock/Thinkstock

Persönlichkeitspsychologie: Übergewichtige sind impulsiver

  • 27.05.2015
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  • Redaktion

Die Behandlung von Menschen mit Übergewicht könnte effektiver werden, wenn deren Persönlichkeit berücksichtigt wird. Zu diesem Ergebnis kommen Psychologen der Universitäten Bamberg und Bochum in einer Auswertung von mehr als 70 Studien. Ihre Analysen zeigen, dass Übergewicht, Adipositas und „Essanfälle“ mit bestimmten Persönlichkeitseigenschaften einhergehen.

Während impulsive Persönlichkeitszüge Essstörungen eher begünstigen, wirken ihnen Gewissenhaftigkeit und Selbstkontrolle als Schutzfaktoren entgegen. Dies zeigen Ergebnisse einer Literaturanalyse, die jetzt in der Fachzeitschrift „Obesity Reviews“ veröffentlicht wurde.

„Unser Wissen über den Zusammenhang von Persönlichkeit, Übergewicht und übermäßigem Essensgenuss hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert“, sagt Sabine Löber, Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Bamberg. „Wir können mittlerweile klar sagen, dass Menschen mit entsprechenden Essstörungen häufiger impulsiv und weniger selbstkontrolliert sind als Personen mit Normalgewicht“.

Fünf Faktoren beeinflussen Persönlichkeit
Bei einer Binge-Eating Störung leiden die Betroffenen unter wiederkehrenden Essanfällen. © Jupiterimages / Stockbyte / Thinkstock

Die Forscher analysierten Studien, die zwischen 1993 und 2013 durchgeführt wurden und in denen jeweils der Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Übergewicht beziehungsweise Adipositas sowie Binge-Eating Störung (sogenannte „Essanfälle") untersucht wurde.

Den Untersuchungen lag in den meisten Fällen das „Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit" zugrunde. Nach diesem Modell lässt sich die Persönlichkeit eines jeden Menschen innerhalb dieser fünf Faktoren einordnen:

  • Neurotizismus (dazu gehören Eigenschaften wie Ängstlichkeit, Impulsivität, Verletzlichkeit),
  • Extraversion (Geselligkeit, Selbstsicherheit, Abenteuerlust),
  • Gewissenhaftigkeit (Kompetenz, Pflichtbewusstsein, Ehrgeiz, Selbstkontrolle)
  • Verträglichkeit (Vertrauen, Geradlinigkeit, Empfindsamkeit)
  • und Offenheit (Fantasie, ästhetisches Empfinden, Ideen).


Die Analysen zeigen, dass übergewichtige Menschen neurotischer und insbesondere impulsiver sind als Normalgewichtige. Sie können demnach ihr Handeln schlechter an langfristigen Konsequenzen ausrichten. Übergewichtige sind auch extravertierter und empfänglicher für Belohnungen als Normalgewichtige. Diese auch „Belohnungssensitivität" genannte Eigenschaft bezieht sich darauf, dass man zum Beispiel bei der Nahrungsmittelaufnahme besonderen Genuss empfindet. Impulsivität und Belohnungssensitivität scheinen besonders bei Menschen ausgeprägt zu sein, die unter einer Binge-Eating Störung leiden. Belohnungssensitivität ist insbesondere bei Männern ein Risikofaktor.

Nutzen für die Therapie

„Die Therapie von Adipositas kann von diesen Erkenntnissen profitieren“, sagt Sabine Löber. „Bei der Entstehung von Übergewicht spielen individuelle Merkmale eine wichtige Rolle. Diese Aspekte sollten in der Therapie berücksichtigt werden. So könnte beispielsweise ein Selbstregulationstraining, in dessen Rahmen Strategien zum Umgang mit Impulsivität und Belohnungssensitivität geübt werden, dazu beitragen, die Ursachen von Übergewicht und Essattacken anzugehen und könnte insofern eine wichtige Ergänzung zu anderen Behandlungsformen der Adipositas sein“.



Weitere Informationen:

Originalstudie: Gerlach, G., Herpertz, S., Loeber, S. (2015). Personality traits and obesity: A systematic review. Obesity Reviews, 16 (1): 32-63. doi: 10.1111/obr.12235

Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs)

Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie (Otto-Friedrich-Universität Bamberg)

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