Die Ernährungsräte unterscheiden sich in ihren Gründungsverläufen, Strukturen und Verwaltungsansätzen, die Engagierten in ihren Motiven und Themenfeldern, die sie bearbeiten. © Ramirez/Ernährungsrat Frankfurt
Die Ernährungsräte unterscheiden sich in ihren Gründungsverläufen, Strukturen und Verwaltungsansätzen, die Engagierten in ihren Motiven und Themenfeldern, die sie bearbeiten. © Ramirez/Ernährungsrat Frankfurt

Wege zur Ernährungsdemokratie: 2. Vernetzungskongress der Ernährungsräte

Ende November 2018 versammelten sich in Frankfurt annähernd 30 be- und entstehende Ernährungsräte aus Deutschland, Schweiz, Österreich und den Niederlanden. Ein Wochenende lang tauschten etwa 150 Engagierte Erfahrungen aus, lernten voneinander und von drei internationalen ReferentInnen.

Politischer Wille

Bereits durch ihre Anwesenheit (während der zu diesem Zeitpunkt noch laufenden Koalitionsverhandlungen in Hessen) machten Priska Hinz, hessische Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, und die Schirmherrin des Frankfurter Ernährungsrats Rosemarie Heilig, Frankfurter Dezernentin für Umwelt und Frauen, deutlich: Ihnen ist die nachhaltige Versorgung von Städten wichtig und sie erachten hierfür die Vernetzung von Politik mit zivilgesellschaftlichen Initiativen als zentral. „Es hängt an den Personen“, so Heilig.

Vielfalt der Ernährungsräte

Nicht nur in den Vorstellungsrunden zeigte sich das weite Spektrum der Ernährungsräte: unterschiedliche Gründungsverläufe, Strukturen und Verwaltungsansätze. Von zivilgesellschaftlichen Ernährungsräten, solchen mit Trägerverein bis hin zu Räten mit politischer Verankerung, mit Finanzierung und Personal ist jedoch allen die Priorität gemein, „organisch zu wachsen“ und sich mit bestehenden Initiativen zu vernetzen.

Dem Kongresstitel angemessen verbrachten die TeilnehmerInnen den Großteil damit, sich zu vernetzen und von bereits gemachten Erfahrungen zu lernen. In Open Spaces konnte jede/r Themen einbringen, bspw., wie man Unterstützung in der Kommunalpolitik und -verwaltung findet, was geeignete Event-Formate sind („Veränderung veranstalten“), die Ausgestaltung bio-regionaler Schulverpflegung oder Zero Waste.

So vielfältig wie die Strukturen der Ernährungsräte sind auch die Hintergründe und Motive der Engagierten – und ihre „beackerten“ Themenfelder: essbare Stadt, Gemeinschafts- und Firmengärten, regionale Versorgung durch solidarische Landwirtschaft oder Marktschwärmer, Genusswochen, Erzeuger und Ernährungshandwerk mit Verpflegung zusammenbringen, Ernährungsbildung und vieles mehr.

„Connect, not Oppose“

Olivier de Schutter, Gründer und Vorsitzender des International Panel of Experts on Sustainable Food Systems (IPES-Food), befindet zivilgesellschaftliche Initiativen als extrem wichtig. Er hofft, dass diese zum Mainstream werden um Entscheidungsmacht aufzubauen; eine Macht, die bisher dominant vom Handel ausgeübt wird.

Sein Handlungs- und Haltungsratschlag: Ernährungsräte sollten sich mit dem bestehenden Lebensmittelsystem und demokratischen Institutionen verbinden, nicht in die Opposition gehen.

„Food, not Nutrition”

Den Weg zu 90 % Bio in den über 900 Küchen der Gemeinschaftsverpflegung in Kopenhagen – kostenneutral – stellte Kenneth Højgaard vom Copenhagen House of Food vor. Im Auftrag der Regierung engagiert sich die gemeinnützige Organisation für qualitativ hochwertiges, gesundheitsförderliches, nachhaltiges Essen (nicht Ernährung, so Højgaard) und eine lebensfrohe Esskultur. Dieser Ansatz verbesserte die Mitarbeiterzufriedenheit, senkte die Raten von Mangelernährung und ist kostenneutral, unter anderem durch den Verzicht auf Fertigprodukte.

Essen als Hebel

Lori Stahlbrand berichtete aus ihrem langjährigen Erfahrungsschatz: Angegliedert an die Gesundheitsbehörde wurde bereits 1991 der Ernährungsrat in Toronto (Toronto Food Policy Council) gegründet. Die dortige Ernährungsstrategie ist personen-, nicht produktions- oder ernährungszentriert. Ziel ist eine gegen Klimawandel und demografischen Wandel widerstandsfähigere Stadt.

Vielfältige Projekte vernetzen die Stadt mit dem Land, vergrünen die Stadt bspw. mit Dachgärten und heimischen Nahrungspflanzen, integrieren und bewegen Zugezogene/Migranten, Jugendliche, Benachteiligte und Menschen mit psychosozialer Betreuung. Essen bzw. Nahrung wird hier als Hebel genutzt, um möglichst viele Menschen und Effekte zu erreichen.

Ausblick

Zum Ende des Vernetzungskongresses verabschiedeten die TeilnehmerInnen die „Frankfurter Erklärung“ mit Forderungen und Visionen für ein demokratischeres Ernährungssystem.



Hinweis:
Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) und Marktschwärmer haben wir im Special „Alternative Einkaufswege“ in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 4/2018 vorgestellt. Plastik und „Unverpackt einkaufen“ waren Special-Thema in der Mai-Ausgabe 2018.

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