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Lebensmittelthemen sind sehr gefragt: Ernährungsfachkräfte sollten also nicht zögern, bei Twitter, Instagram und Co. aktiv zu werden. © kommunikation.pur / Andreas Grieger

Interview: Warum Social Media für ausgebildete Ernährungsexperten so wichtig sind

Wann ist der beste Zeitpunkt, wenn ich mir als Fachkraft eine mediale Präsenz aufbauen will?

Franke: Immer. Jetzt. Der Zeitpunkt für Fachkräfte, in den Social Media aktiv zu werden, ist derzeit ideal, denn Lebensmittelthemen und Ernährung sind sehr gefragt. Trends wie Clean Eating, Paleo oder Superfoods sind Klickgaranten, sorgen aber auch für Unsicherheit bei den Verbrauchern. An dieser Stelle können wir als Fachkräfte ansetzen, unser fundiertes Wissen einbringen und für unseren Berufsstand werben.


Welche Vorteile gibt es noch?

Franke: Social Media kommt ohne große Barrieren aus, das macht es einfach, mit jemandem in Kontakt zu treten. Ein Kommentar oder eine Nachricht ist schnell getippt, es ist etwas, das viele Menschen tagtäglich tun. Eine E-Mail an eine offizielle Adresse zu schicken, scheuen dagegen viele. Ich stelle das bei der Betreuung der Social Media-Kanäle für unsere Kunden aus der Lebensmittel- und Getränkebranche tagtäglich fest. Über Social Media bekommen wir viel mehr Feedback als über die Kontaktmöglichkeiten auf den Webseiten und können auch flexibler reagieren. Wer sich dafür entscheidet, Social Media als Kommunikationskanal zu nutzen, muss Zeit einplanen und am Ball bleiben. Es sollte einem persönlichen Spaß machen, im Netz aktiv zu sein. Lieblose Bilder oder Postings, die nach Pflichterfüllung aussehen, bringen einen nicht weiter. Mit Authentizität, Persönlichkeit und einer Prise Humor hingegen findet man in den Social Media Kunden, Kollegen und sogar Freunde. Social Media sind zudem ein wichtiger Trendradar, besonders im Bereich Ernährung. Hier wird das neueste Streetfood präsentiert, und hier wurde die Avocado zum Star. Fachkräfte bleiben so am Puls der Zeit, können sich auf die Fragen der Beratungsklienten von morgen einstellen und auch ihr eigenes Angebot – zum Beispiel einen Fachvortrag zum Sinn von Superfoods – dementsprechend attraktiv und aktuell gestalten.

Welche Rolle spielt dabei das "Gypsy-Blogging" und welche Chancen bietet es, fundiertes Wissen breit zu streuen?

Franke: Gypsy-Bloggen ist ein Ausdruck, den wir bei der PR-Agentur „kommunikation.pur“ erfunden haben. Er entstand, als wir unsere Aktivitäten auf Blogs und auch Podcasts beschreiben wollten, die von anderen Bloggern betrieben wurden. Gypsy bedeutet ja so viel wie heimatlos und das passte, da wir zu dem Zeitpunkt noch keinen eigenen Blog hatten, aber oft für Gastbeiträge und Expertenbeiträge auf anderen Blogs angefragt wurden. Gypsy-Bloggen ist eine tolle Win-Win-Win-Situation für den Bloggründer, der seinen Blog mit spannendem Experteninhalt füllen kann, den Gypsy-Blogger, der sich beim Publikum des Bloggers vorstellen darf, und für die Leser, die Expertenwissen aus erster Hand bekommen. Als Experte bekommt man die Chance, sein Wissen einem breiten Publikum zu präsentieren und zum Beispiel eine neue Zielgruppe zu erreichen. Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht, Bloggern auch die eigene Expertise anzubieten und einen Beitrag zu schreiben, da Blogger meist auf der Suche nach spannenden Inhalten für ihre Online-Präsenz sind. Manchmal gibt es auch Themen, an die sie sich selbst nicht herantrauen, zum Beispiel Unverträglichkeiten und Allergien, und diese dann gerne an eine Fachkraft abgeben. Zudem ermöglicht das Gypsy-Bloggen, auf eigene Angebote wie zum Beispiel ein eigenes Buch oder das Beratungsangebot aufmerksam zu machen.

Welche Tipps gibst du jungen Fachkräften mit auf den Weg?

Franke: Trennt Berufliches von Privatem. Seid vorsichtig und stellt euch immer die Frage: Möchte ich, dass dieses Bild, dieser Beitrag von einem zukünftigen Arbeitgeber gesehen wird? Damit möchte ich nicht zu einem glatt polierten Profil ohne Ecken und Kanten ermutigen, sondern ein Bewusstsein für die große Reichweite wecken, die mit den Social Media erzielt werden kann. Auf der anderen Seite möchte ich besonders die jungen Kollegen, die in den Social Media zu Hause sind, dazu ermuntern, sich im Netz zu zeigen und ihr Wissen über die Funktionen in den Social Media auch beruflich zu nutzen. Zeigt, was ihr im Studium und in der Ausbildung alles lernt, wie viel Fachwissen ihr sammelt, teilt eure Tipps aus der Praxis und lasst Menschen in eure Töpfe schauen. All dies kann dazu beitragen, dass mehr Aufmerksamkeit für alle Fachkräfte entsteht, die Bedeutung von Ernährung im Allgemeinen wächst und fundierte Empfehlungen die vielen Falschaussagen im Netz etwas verdrängen.


Ermutigt dies nicht auch zu Ferndiagnosen?

Franke: Generell sollten Fachkräfte keine Ernährungstherapie via Social Media betreiben und anderen Usern Tipps geben, die in Zusammenhang mit einer Krankheit oder Unverträglichkeit stehen. Wenn Fragen zu solchen Themen aufkommen, sollten sie empfehlen, einen persönlichen Termin zu vereinbaren, oder auf entsprechende Kollegen verweisen. Man kann nie genau wissen, wer sich hinter einem Profil verbirgt, und ein Profil kann keine Anamnese ersetzen.


Siehst du beim Thema Social Media auch bei den etablierten Fachverbänden Aufholbedarf?

Franke: Es wäre für die Fachgesellschaften eine große Chance, sich stärker in den sozialen Netzwerken mit eigenen Profilen zu zeigen. Die Profile wie zum Beispiel eine Facebookseite sind in der Regel sehr weit oben in der Google-Suche platziert. Das führt zu vielen Aufrufen und Kontakten. Die Online-Sichtbarkeit im Allgemeinen erhöht sich dadurch. Mit einer stärkeren Social Media-Präsenz würde man dem heutigen Leseverhalten der Bevölkerung entsprechen, denn Onlinezeit ist heute Social Media-Zeit, und User lassen sich von Inhalten in den Kanälen finden, anstatt aktiv auf Webseiten zu gehen und sich dort nach Inhalten umzuschauen. Zudem gibt man durch eine Social Media-Präsenz die Möglichkeit für schnellen Austausch, Inhalte können zeitnah verbreitet und geteilt werden.

© kommunikation.pur / Andreas Grieger
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Welcher Kanal eignet sich am besten?

Franke: Facebook ist ein Kanal, der sich aus meiner Sicht sehr gut für die Fachgesellschaften als Kommunikationsplattform eignet, da er von vielen Menschen aller Altersklassen genutzt wird und eine gute Kombination von Bildern und Textinhalten ermöglicht. Wer insbesondere Nachwuchskräfte erreichen möchte, kommt um eine Social Media-Präsenz nicht herum. Man kann natürlich nicht vermeiden, dass über Inhalte, die die Fachgesellschaften betreffen, auf den Social Media-Kanälen diskutiert wird. Eine eigene Präsenz ermöglicht es, selbst Inhalte zu verbreiten, bei seiner Zielgruppe nachhaltig präsent zu sein, Stellung zu nehmen und Austausch anzubieten.


Warum agieren die Fachverbände bislang eher zurückhaltend in den Social Media?

Franke: Die Social Media kosten zeitliche und personelle Ressourcen, einen Kanal richtig gut zu bespielen, setzt Expertise voraus. Social Media sind kein „Nebenbeiprojekt“: Kommentare beantworten, einen Redaktionsplan erstellen, immer neue Ideen entwickeln, das ist eine große Aufgabe, die in die Hände eines Social Media- und Community-Managers gehört. Möchte man auch in der Zukunft relevant sein, sollten alle Fachgesellschaften in jedem Fall einen Kanal als Verlängerung der eigenen Webseite aufbauen und den Social Media einen festen Platz in der Kommunikation einräumen.

Das Gespräch für die ERNÄHRUNGS UMSCHAU führte Myrna Apel.

Zur Person: Verena Franke ist Diätassistentin, Oecotrophologin sowie Social-Media- und Community-Managerin. Als PR-Beraterin in der Agentur kommunikation.pur berät sie namhafte Unternehmen der Ernährungs-, Lebensmittel- und Getränkebranche. Sie ist aktives Mitglied der Fachgruppe Marketing des VDD Verband der Diätassistenten - Deutscher Bundesverband e.V.

Interessierte können die von kommunikation.pur entwickelte Gipsy-Anleitung bei Verena Franke kostenfrei anfordern und so erste Schritte als Gastblogger wagen.

Weitere Informationen:
www.kommunikationpur.com
Blog: branchentreff.pur
Kontakt: franke@kommunikationpur.com

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