Mangelernährung in Krankenhäusern effektiv bekämpfen – noch fehlt in Deutschland der politische Wille

Der Umgang mit mangelernährten Patienten ist ebenso wie die allgemeine Verpflegung der Patienten in deutschen Krankenhäusern nicht einheitlich geregelt. Einige Krankenhausleitungen haben jedoch die Bedeutung eines schlechten Ernährungszustands für die Heilung ihrer Patienten erkannt und eigenständig Konzepte entwickelt, um Mangelernährung zu beheben und damit die Qualität der Therapie zu verbessern. Die Medizinische Klinik im Roten Kreuz Krankenhaus Kassel unter der Leitung ihres Chefarztes Prof. Christian Löser hat dies getan und mit dem „Kasseler Modell“ ein ernährungsmedizinisches Gesamtkonzept für den Klinikalltag entwickelt. Die Ernährungs Umschau sprach mit Prof. Löser über die Vorteile seines Konzepts und die Herausforderungen, die eine Verbesserung der Ernährungssituation in deutschen Krankenhäusern mit sich bringt.

Herr Prof. Löser, wie kam es zur Entwicklung des „Kasseler Modells“ in Ihrem Krankenhaus?

Löser: Ich beschäftige mich schon seit über 25 Jahren klinisch wie wissenschaftlich mit dem Thema Unter-/Mangelernährung und habe hierzu eine Vielzahl von klinischen Studien durchgeführt sowie Fachartikel und Bücher veröffentlicht. Mittlerweile gibt es über 200 gut durchgeführte Studien, die eindeutig die hochsignifikanten klinischen Folgen von Mangelernährung belegen, und es gibt mittlerweile auch ca. 150 prospektive, kontrollierte Interventionsstudien sowie Metaanalysen, die überzeugend belegen, dass die rechtzeitige Erfassung einer Mangelernährung sowie eine frühzeitige professionelle Ernährungsintervention signifikante klinische Effekte auf Morbidität, Mortalität, Lebensqualität, Krankenhausverweildauer, Kosten und Prognose der Patienten haben. Für uns ist gezielt individuelle Ernährungsintervention – insbesondere bei mangelernährten Patienten – nicht Teil einer notwendigen Grundversorgung, sondern integraler und effizienter Bestandteil der ärztlichen Therapie und Prävention. Also lag es nahe, professionelle Strukturen zu entwickeln, die moderne ernährungsmedizinische Erkenntnisse effektiv und nachhaltig im klinischen Alltag umsetzen. So wurde das „Kasseler Modell“ geboren und konsequent weiterentwickelt.

Wann wurde es eingerichtet?

Löser: Als ich vor 14 Jahren Chefarzt der Medizinischen Klinik am Roten Kreuz Krankenhaus in Kassel wurde, haben wir schrittweise angefangen, das „Kasseler Modell“ zu entwickeln. Da ein komplexes Ernährungssystem die Zusammenarbeit vieler verschiedener Berufsgruppen voraussetzt, muss man am Anfang etwas Geduld haben und Schritt für Schritt planen. Außerdem ist ein modernes, multiprofessionelles Ernährungssystem wie das „Kasseler Modell“ nie ganz fertig und unterliegt ständigen Modifikationen und vor allen Dingen Weiterentwicklungen.

Was waren anfangs die größten Hürden bei der Implementierung des Modells?

Löser: Wenn man moderne ernährungsmedizinische Erkenntnisse im Krankenhaus etablieren will, ist die wichtigste Aufgabe, die betriebswirtschaftlich wie medizinisch Verantwortlichen von der medizinischen und ökonomischen Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme zu überzeugen. Das heißt, Sie müssen dem Verwaltungsdirektor und den Chefärzten überzeugend klarmachen, dass Mangelernährung ein unabhängiger klinischer Risikofaktor und vor allen Dingen Kostenfaktor ist und dass frühzeitiges Erkennen von Mangelernährung und eine gezielte Behandlung signifikant den klinischen Verlauf beeinflussen und relevant Kosten sparen helfen. Hierfür gibt es mittlerweile überzeugende Literatur, die man im Kreise der Krankenhausverantwortlichen und der Mitarbeiter ausführlich und sachlich kommunizieren sollte.


Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 07/15 von Seite M416 bis M418.

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