Vitamin-B12-Mangel im höheren Lebensalter

Pathogenetische Aspekte eines weit verbreiteten Problems

Alexander Ströhle, Maike Wolters und Andreas Hahn, Hannover

Ältere Menschen – insbesondere hoch betagte Personen – unterliegen aus unterschiedlichen Gründen einem erhöhten Risiko für Nährstoffdefizite. Neben altersbedingten Veränderungen an Organsystemen und chronischen Erkrankungen trägt hierzu auch die Einnahme verschiedener Medikamente bei. Ein in dieser Hinsicht vielfach betroffener Nährstoff ist Vitamin B12, dessen Absorption bei älteren Personen häufig eingeschränkt ist [2, 73]. Aktuellen Untersuchungen zufolge ist eine Unterversorgung mit Vitamin B12 als Risikofaktor für neurodegenerative Erkrankungen anzusehen [49, 58]. Verschiedene Fachgremien empfehlen daher, der Vitamin-B12-Versorgung älterer Personen verstärkt Beachtung zu schenken und Risikopatienten frühzeitig zu identifizieren.

Die folgenden Ausführungen sollen die Problematik des altersassoziierten Vitamin-B12-Defizits auf unterschiedlichen Ebenen näher beleuchten. Dabei bilden die zu Grunde liegenden pathogenetischen Mechanismen den Schwerpunkt dieser Arbeit.

Ältere Personen sind häufig von einem Vitamin-B12-Defizit betroffen. Wird der frühere Grenzwert eines ausreichenden Serum-Vitamin-B12-Spiegels von etwa 150 pmol/l als Beurteilungskriterium herangezogen, dann sind bereits 10–15 % der älteren Personen als unterversorgt einzustufen. Finden dagegen die als wünschenswert erachteten Serum-Cobalamin-Spiegel im Bereich von 220–258 pmol/l (300–350 pg/ml) oder sensitivere Parameter wie die Konzentrationen an Homocystein und Methylmalonsäure Verwendung, dann steigt die Prävalenz des Vitamin-B12-Mangels auf bis zu 43 % an.

Bei älteren Personen ist das Vitamin-B12-Defizit vorwiegend auf eine unzureichende Bildung von Magensaft (HCl und Pepsinogen) zurückzuführen, wodurch die Absorption der in der Nahrung enthaltenen Cobalamin-Protein-Komplexe deutlich reduziert ist. Hauptursache hierfür sind entzündliche Prozesse der Magenmukosa, die primär auf dem Boden einer atrophischen Gastritis vom Typ B entstehen. Etwa 20–50 % der Senioren sind hiervon betroffen. Zudem ist die eingeschränkte Säureproduktion des Magens mit einer Alkalisierung des Dünndarmmilieus verbunden, in deren Folge sich ein Overgrowth-Syndrom entwickeln kann und die Vitamin-B12-Verfügbarkeit weiter reduziert.

Daneben hemmen eine Reihe von Medikamenten die intestinale Absorption von Vitamin B12. Hierzu zählen Protonen-Pumpen-Inhibitoren (Omeprazol und Lansoprazol) und H2-Rezeptoren-Blocker (Cimetidin, Ranitidin) sowie der Cholesterinsenker Cholestyramin, verschiedene Antibiotika und das Antidiabetikum Metformin. Bereits eine leichte Beeinträchtigung des Vitamin-B12-Status steht im Zusammenhang mit neuropsychiatrischen Symptomen (Konzentrationsstörungen, depressive Stimmungslage).

Darüber hinaus besteht der Verdacht, dass eine unzureichende Vitamin-B12-Versorgung die Entstehung bzw. den Verlauf von Demenzerkrankungen (z. B. Morbus Alzheimer) negativ beeinflusst. Dies gilt insbesondere dann, wenn gleichzeitig ein Defizit an Folsäure besteht. Auf Grund der unsicheren Bedarfsdeckung sollte die Vitamin-B12-Versorgung älterer Personen (≥60 Jahre) engmaschig überwacht und eine generelle Supplementierung von Vitamin B12 (≥50 µg/ Tag) in Erwägung gezogen werden.

Den vollständigen Artikel  finden Sie in Ernährungs-Umschau 03/04 ab Seite 90.

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