Bakterielle Fehlbesiedlung: Ernährung als Teil des Therapiekonzepts

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Peer-Review-Verfahren | Eingereicht: 11.05.2016 | Angenommen: 07.01.2017

Small Intestinal Bacterial Overgrowth (SIBO)

Einleitung

Der Mensch lebt in ständiger Symbiose mit seiner intestinalen Mikrobiota, die zum Großteil aus Bakterien besteht und sich durch ihre hohe Dichte, Diversität und komplexe Interaktionsmechanismen auszeichnet. Die höchsten Bakterienzahlen finden sich im Dickdarm, wo sie wichtige Funktionen der Verdauung, Synthese und Resorption von Nährstoffen übernehmen. Studien zeigen, dass die Ernährung einen wesentlichen Einflussfaktor auf die Zusammensetzung und damit auf die Eigenschaften der Mikrobiota hat (aktuelle Übersicht in [1]).

Eine bakterielle Fehlbesiedlung ist durch eine Veränderung der mikrobiellen Besiedlung des normalerweise keimarmen Dünndarms charakterisiert (engl.: Small Intestinal Bacterial Overgrowth [SIBO]). Sie ist abzugrenzen von einer Dysbiose, bei der die Zusammensetzung der Mikrobiota im Dickdarm bei gleichzeitigem Vorliegen einer Erkrankung oder klinischer Symptome verändert ist. Eine bakterielle Fehlbesiedelung wurde zunächst mit abnormer Anatomie oder gestörter Motilität des Gastrointestinaltrakts (GIT) in Verbindung gebracht und quantitativ anhand der Bakterienzahl definiert. Zunehmend wird sie jedoch auch mit vielfältigen anderen Faktoren und insbesondere mit funktionellen Erkrankungen des GIT wie dem Reizdarmsyndrom assoziiert. Hierbei wird vermehrt die Frage aufgeworfen, ob nicht vielmehr die Zusammensetzung bzw. Eigenschaften der Dünndarm-Mikrobiota die Erkrankung bestimmen und die quantitative Definition zu kurz gefasst ist. Während es für eine Dysbiose im Dickdarm bereits mehrere ernährungstherapeutische Ansätze gibt (z. B. die Gabe von Syn- und Probiotika), beschränken sich die Maßnahmen bei der SIBO bisher allein auf den Ausgleich von Mangelzuständen.

Abstract

Small Intestinal Bacterial Overgrowth (SIBO) ist eine heterogene Störung, die durch eine quantitative und/oder qualitative Änderung der Mikroorganismen im normalerweise keimarmen Dünndarm charakterisiert ist. Diese bakterielle Fehlbesiedlung ist von einer Dysbiose abzugrenzen, die eine veränderte Mikrobiota im Dickdarm bei Vorliegen einer Erkrankung oder klinischen Symptomen bezeichnet. Ursprünglich wurde sie mit einem abnormen oder postoperativen anatomischen Kontext assoziiert. Heute wird sie jedoch zunehmend auch mit funktionellen Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts, bspw. dem Reizdarmsyndrom, und anderen Erkrankungen in Verbindung gebracht. In diesem Zusammenhang wird vermutet, dass nicht so sehr die Bakterienzahl, sondern auch die Zusammensetzung der Bakterienspezies ausschlaggebend ist. Dementsprechend rücken Einflussfaktoren der Mikrobiota als mögliche Risikofaktoren, aber auch als mögliche Therapieansätze in den Fokus. Neben der traditionellen Therapie könnte eine gezielte Ernährung insbesondere zur Herstellung einer gesunden Mikrobiota, der Reduktion einer bakteriellen Gasbildung und der Rezidivprävention eingesetzt werden. Die Meidung schnell fermentierbarer Kohlenhydrate, Stimulierung der Gallensäuresekretion und Immunglobulinausschüttung sowie die gezielte Förderung einer günstigen Mikrobiota stellen erste Ansätze für eine diätetische Intervention dar.

Schlüsselwörter: Bakterielle Fehlbesiedlung, SIBO, Ernährungstherapie, Mikrobiota, Dünndarm



Peer-reviewed | Manuscript received: May 11, 2016 | Revision accepted: January 7, 2017

Bacterial overgrowth: nutrition as part of the therapeutic concept

Small Intestinal Bacterial Overgrowth (SIBO)

Abstract

Small Intestinal Bacterial Overgrowth (SIBO) is a heterogeneous disorder that is characterized by a quantitative and/or qualitative change in the microorganisms present in the small intestine, which usually has few microorganisms. This bacterial overgrowth is not to be confused with dysbiosis, which is the term for an altered microbiota in the large intestine when there is a disease or when there are clinical symptoms. Originally, it was linked to a postoperative anatomical context. How- ever, today, it is also increasingly associated with functional diseases of the gastrointestinal tract, such as irritable bowel syndrome and other diseases. In this context, it is assumed that it is rather the composition of the bacterial species that is more crucial than the number of bacteria. Thus, factors affecting the microbiota are now coming into focus as possible risk sources as well as potential treatment approaches. Alongside traditional therapy, special nutrition could be effectively applied to re-establish a healthy microbiota, reduce bacterial gas formation, and prevent relapse. Avoiding rapidly fermentable carbohydrates, stimulating bile acid secretion and immunoglobulin release, along with selectively growing favourable microbiota are the first-line approaches to dietary intervention.

Keywords: bacterial overgrowth, SIBO, nutrition therapy, microbiota, small intestine

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Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 4/17 von Seite M197 bis M203.

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