Zu guter Letzt 4/17: Frühstücksmonotonie

Das gemeine Frühstück ist eindeutig das Stiefkind unter den Mahlzeiten: In vielen Ein- und Mehrpersonen-Haushalten wird mit gewohnter Routine jahrein jahraus unter Zeitdruck, im Stehen oder To-Go zur raschen Wiederauffüllung der nächtlich entleerten Glykogenreserven ein aus Backwaren, Streichfett, Marmelade, Honig, Käse, Wurst und Ei bestehendes Etwas zusammen mit einem Heißgetränk hineingestopft. Nicht selten versuchen Eltern in ihrer morgendlichen Verzweiflung den kindlich/jugendlichen Frühstücksmuffel mit zur Süßigkeit mutierten Frühstückszerealien und papp-süßem Kakao aus den Federn zu locken. Zum Glück ist es den Werbeagenturen trotz vielfacher Bemühungen bisher nicht gelungen, uns zum Frühstück ein trendiges Cola-Kaltgetränk schmackhaft zu machen ...

Die auf den ersten Blick überwältigend unübersichtliche Vielfalt der Frühstücksbuffets in unseren Hotels ist für den vielgereisten Gast ebenfalls nur selten ein kulinarisches Highlight und weist trotz vielfältiger Bemühungen und dreister Hochpreisigkeit von Hotel zu Hotel nur erstaunlich wenig Variation auf. Die Vorfreude auf duftend belebenden Kaffee ist schnell verflogen, wenn der Gast in der als Profitcenter durchrationalisierten Frühstücksgastronomie auf dem gedeckten Tisch eine Thermoskanne mit fürsorglich vorgekühltem Kaffee entdeckt, der helfen soll, die mit Mortadella-einfach belegten Aufbackbrötchen möglichst schnell zu verzehren.

Frühstücksmonotonie ist esskulturell gesehen nichts Neues: Bedeutet das Wort „Frühstück“ in der deutschen Sprache seit Jahrhunderten doch das frühmorgens gegessene erste Stück Brot. Im Vergleich dazu ist ein deftiges Bauernfrühstück mit Ei und Speck schon ein deutlicher Fortschritt. Auch der englische Ausdruck breakfast ist nur wenig ergiebiger: Bezeichnet der Begriff doch das durch die morgendliche Nahrungsaufnahme am neuen Tag vollzogene Brechen des nächtlichen Fastens.

Inzwischen bemühen sich zahlreiche Buchautoren dieser Monotonie abzuhelfen: Bei Amazon sind weit über 500 Titel mit Frühstücksrezepten gelistet: Von Paleo-, Ethno-, Low-Carb-, Clean-Eating-, Beef-Buddies- über Blitzschnell- und Power-, Fitness-, Ayurveda-, Superfood- bis hin zum Supergrain- und Urgeschmack-Frühstück. Wer noch praxisnähere Unterstützung benötigt, wird sicherlich bei YouTube mit über 5 000 visualisierten Frühstücksideen fündig, um der Frühstücksmonotonie zu entkommen. Anregungen holen und ausgedehnt frühstücken kann der Großstädter inzwischen auch in den regelmäßig stattfindenden Breakfast Markets, wo fast alles von lokal über regional und kontinental, von asiatisch bis französisch angeboten wird.

Vielleicht hat die eingeübte Frühstücksmonotonie ja aber auch ihre guten Seiten und schützt uns zumindest am Morgen vor der Völlerei? Darüber werde ich einmal bei einer Tasse frisch gebrühtem Kaffee und einem Haferbrei nachdenken.

Ihr Helmut Heseker



Diesen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 4/2017 auf Seite M240.

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