Editorial 10/2022: TikTokTainment

„TikTok: Hier beginnen Trends.“1 So startet die deutsche Website des 2016 eröffneten Videoportals und sozialen Netzwerks TikTok. Anfänglich vor allem für virale Lipsync-, Tanzvideos und Internet-Challenges bekannt, umfasst die Plattform mittlerweile mehr als 1 Milliarde NutzerInnen weltweit.2 Die überwiegende Mehrheit der NutzerInnen gehört der Generation Z an3: geboren zwischen 1997 und 2012.

International stark umstritten: ByteDance, das chinesische Unternehmen hinter Tik-Tok. Es gibt vielfach Bedenken hinsichtlich des Daten- und Jugendschutzes, Falschinformationen sowie Spionage und Zensur politischer und religiöser Themen. Auch in der Kritik: zu wenig werde getan gegen Sexismus und Cyber-Mobbing in den Kommentaren. 1, 4 (Mehr dazu unter dem Hashtag DarkTok5)
Trotz der öffentlichen Kritik: Die Plattform wird im Alltag und Medienkonsum vieler Menschen immer relevanter. Auch wenn TikTok eher für humorvolle, kurzweilige Videos steht (Stichwort #TikTokTainment), sind mittlerweile auch große Institutionen und Formate wie die Tagesschau oder Chefkoch.de dabei. Da sich zudem unter den Videoclips mittlerweile massenhaft Food-Inhalte finden,2 werfen Roman Obermayr, Dr. Juliane Yildiz und Prof. Dr. Jasmin Godemann von der Universität Gießen ab S. M546 einen Blick in die Plattform.6 Um das Phänomen TikTok zu verstehen und die Charakteristika der Medium-spezifischen (Ernährungs)Kommunikation nachzuvollziehen, analysiert das AutorInnenteam die Top-15-Hashtags mit Ernährungsbezug auf TikTok: von #food mit über 215 Milliarden (!) Aufrufen Ende 2021, über #yummy bis hin zu #vegan. Sie stellen dar, welche ernährungsbezogenen Inhalte kommuniziert werden, welchen Stellenwert die dargestellten Lebensmittel „genießen“ und welche Darstellungsweise die untersuchten Food-Videos nutzen.
Fest steht: Social-Media-Content hat immer mehr Einfluss auf Ess- und Lebensrealitäten, liefert Inhalte, Inspiration und Innovation. Und auch wenn die TikToks meist Genuss- und Spaß-orientiert sind: Entertainment umfasst oft mehr als Unterhaltung, sondern wird als mächtiger Treiber und wichtiger Hebel bei der Lösung der großen sozialen und planetaren Herausforderungen unserer Zeit gesehen.7 Zwar müssen wir als Ernährungsfachkräfte nicht alle und nicht jede Plattform selbst bespielen (kurze Entwarnung als Generation-Y-, nicht Z, -Angehörige) – es gilt jedoch, die Kanäle und Formate, auf denen sich Menschen millionenfach zu Essen austauschen und informieren achtsam zu beobachten, um Ernährungsverhalten besser zu verstehen.

Stella Glogowski

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1 www.tiktok.com/de-DE 
2 Statista: Statistiken zu TikTok. Veröffentlicht von L. Rabe, 29.07.2022. https://de.statista.com/themen/5975/tiktok/#dossierKeyfigures
3 Rützler H, Reiter W: Food Report 2023. Zukunftsinstitut, Lebensmittel Zeitung, gv-praxis, foodservice (eds.). Zukunftsinstitut GmbH, Frankfurt: 2022; 92– 101. Kurzmeldung dazu: www.ernaehrungs-umschau.de/news/04-08-2022-virale-tiktok-rezepte/ 
4 Mehr dazu bspw. in der Süddeutschen Zeitung: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tiktok-china-nutzerdaten-bytedance-zensur-1.5614661 
5 Mehr zu DarkTok bspw. bei Funk: presse.funk.net/pressemeldung/darktok-funk-beleuchtet-in-schwerpunkt-die-schattenseiten-von-tiktok/ 
6 Obermayr R, Yildiz J, Godemann J: Ernährungskommunikation auf TikTok. Ernährungs Umschau 2022; 69(10): M546–57.
7 Zukunftsinstitut: Die Zukunft des Entertainments: 4 Potenziale. www.zukunftsinstitut.de/artikel/zukunft-des-entertainments-4-potenziale/ 



Dieses Editorial finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 10/2022 auf Seite M521.

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