Zu guter Letzt 9/2017: Fettkrieg

Jahrtausende lang waren Speck, Schmalz sowie Talg zwar knapp und teuer, aber mit Abstand die wichtigsten Fettquellen der Mitteleuropäer, bis vor fast 150 Jahren Margarine auf den Markt drängte. Von Beginn an wurde versucht, mit Margarine durch Farb- und Aromazusätze sowie tierische Zutaten wie Schmalz, Talg oder Milchfett und später durch Vitaminanreicherungen geschmacklich und optisch ein möglichst butterähnliches Streichfett zu kreieren.

Mit zunehmendem Lebensmittelangebot und Marktsättigung entstand allmählich eine Konkurrenzsituation und das Buhlen um die Gunst der Verbraucher begann – der Butter-Margarine-Streit wurde vom Zaun gebrochen und ist bis heute Gegenstand kontroverser Debatten. Für die Margarineindustrie war es ein Glücksfall, dass in Butter reichlich enthaltenes Cholesterin und auch die gesättigten Fettsäuren bei Arterioskleroseforschern in Ungnade gefallen waren und sich dies dank großen medialen Interesses umsatzfördernd ausnutzen ließ. Dies rief natürlich die um Umsatz und Ruf fürchtenden Butterproduzenten auf den Plan, die ihrerseits ganze Bataillone von Forschern aufboten, um den Ruf der Butter wiederherzustellen und den der Margarine zu lädieren. Erst fand man trans-Fettsäuren und Nickelspuren in Margarine. Als diese Probleme einigermaßen gelöst waren, wurden mit der Problematisierung der raffinations- bzw. desodorierungsbedingt in Margarine enthaltenen Glycidyl- und 3-MCPD-Fettsäureester schwere toxikologische Geschütze aufgeboten. Gleichzeitig versuchte man Cholesterin und bestimmte Fettsäuren der Butter in ein positiveres Licht zu rücken, musste sich aber bald mit den ruminanten trans-Fettsäuren und coliformen Keimen herumschlagen. Vor dem Hintergrund milliardenschwerer Umsatzmärkte wurde der Butter-Margarine-Krieg zu einem echten Klassiker: Dieser wurde nicht nur in Wissenschaftskreisen, sondern auch in der Öffentlichkeit lange Zeit unversöhnlich ausgetragen.

Vor dem Hintergrund, dass viele Wissenschaftler in Maßen verzehrte Butter inzwischen als „neutral“ einstufen, sah es fast nach Versöhnung aus. Und während die Politik noch um die Reformulierung von Lebensmitteln ringt, wurden längst neue Produkte aus Mischfetten kreiert, „basierend auf gesundem Oliven- oder Rapsöl“, mit Palmöl oder Kokosfett und einem relevanten Anteil „bester Butter“ und Meersalz. Das Ganze natürlich frei von Konservierungsstoffen, künstlichen Farb- und Aromastoffen. Inzwischen verdrängen billiges und stabileres Palmöl und das zum Superfood hochstilisierte Kokosfett unsere klassischen Fettquellen. Diese Emporkömmlinge sollen bereits in jedem zweiten Supermarktprodukt zu finden sein. Bei so viel neuer Konkurrenz und der drastischen Ausweitung der internationalen Palmölproduktion ist weiterer Streit um die Vorherrschaft auf dem globalen Fettmarkt vorprogrammiert. Es scheint, dass mit Unilever einer der größten Streichfettproduzenten der Welt nun die Lust am ewigen Dauerstreit verloren hat: Seit dem Frühjahr steht dessen Streichfettsortiment zum Verkauf.

Ihr Helmut Heseker



Den Artikel finden Sie wie die Vorschau auch in Ernährungs Umschau 9/17 auf Seite M536.

PDF Artikel Download für Abonnenten:

Das könnte Sie interessieren
Sternchensuppe weiter
Die Rolle der Ernährungstherapie in der Behandlung von Essstörungen weiter
30 Jahre Diätassistenten-Gesetz: VDD fordert „Novellierung jetzt!“ weiter
Verbände fordern verstärkte Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen zur Steigerung der... weiter
61. Wissenschaftlicher Kongress der DGE weiter
Pflanzliche Speisefette und -öle weiter