‚Food Addiction‘: Suchtartiges Essverhalten

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Peer-Review-Verfahren | Eingereicht: 31.01.2017 | Angenommen: 13.04.2017

Stand der Forschung mit der Yale Food Addiction Scale

Das Konstrukt einer ‚Food Addiction‘ rückt sowohl in der öffentlichen Diskussion als auch in der wissenschaftlichen Forschung immer stärker in den Fokus. ‚Food Addiction‘ postuliert einen Zusammenhang zwischen Nahrungsaufnahme und Sucht. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, Ernährungsfachkräften einen kurzen Überblick über den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion und einen ersten Zugang zum komplexen Thema ,Food Addiction‘ zu geben sowie den etwaigen klinischen Einsatz des Fragebogens ,Yale Food Addiction Scale‘ (YFAS 2.0) zu erörtern.

Einleitung

Die Begriffe „Esssucht“, „Lebensmittelsucht“ (z. B. „Schokoladensucht“ [1]) und „suchtartiges Essverhalten“ werden in Deutschland zunehmend verwendet. Sie verknüpfen die Nahrungsaufnahme mit Sucht, wie diese typischerweise beim Konsum von Drogen beobachtet wird. Der Begriff „Sucht“ wird in der Alltagssprache jedoch häufig anders verstanden und genutzt als in der wissenschaftlichen Literatur [2, 3]. In der Alltagssprache wird „Sucht“ im Sinne eines „erheblichen Verlangens“ bzw. einer „abnormalen Reaktion“ (z. B. Mondsucht) [2] in Kombination mit aktivem danach „suchen“ (z. B. Herrschsucht) [2] verwendet. Weitere Beispiele für in der Alltagssprache gebräuchliche Begriffe mit dem Suffix -sucht sind: Fettsucht, Tobsucht, Kaufsucht, Sehnsucht oder Naschsucht [2].

Abstract

In der Forschung werden drei methodische Zugangswege zur Erforschung des Konstrukts einer ‚Food Addiction‘ genutzt: Tierexperimente, neurokognitive Humanstudien mit bildgebenden Verfahren sowie Humanstudien mit dem Fragebogen Yale Food Addiction Scale (YFAS). Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht der Stand der Forschung mit der YFAS. Auf Basis der Diagnosekriterien für Substanzabhängigkeit des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen (DSM) wird mit der YFAS die psychische Disposition des menschlichen Essverhaltens für einen möglichen Suchtkontext standardisiert abgefragt und bewertet. Die Prävalenz einer so definierten ‚Food Addiction‘ beträgt 5–10 % in Bevölkerungsstichproben. Höhere Prävalenzen werden bei Patienten mit Adipositas, Binge-Eating Disorder, Bulimia nervosa und Untergewicht gefunden. Aktuell werden Zusammenhänge zwischen ‚Food Addiction‘, pathologischem Essverhalten, Persönlichkeitseigenschaften (z. B. kognitive Kontrolle des Essverhaltens, Impulsivität) und Depressivität erforscht. Das derzeitige Konstrukt ‚Food Addiction‘ wird jedoch auch kritisch gesehen, da noch viele Forschungslücken hinsichtlich Abgrenzung und Begrifflichkeiten, neuronalen und verhaltensassoziierten Korrelaten sowie deren Auswirkungen auf Stigmatisierung, Prävention und Therapie bestehen.

Schlüsselwörter: Food Addiction, suchtartiges Essverhalten, YFAS, Adipositas, Essstörung



Peer-reviewed | Manuscript received: January 31, 2017 | Revision accepted: April 13, 2017

‚Food addiction‘ – addictive-like eating behavior

The current state of research with the Yale Food Addiction Scale

Abstract

There are three methodical research approaches that are used to investigate the construct of a ,food addiction’: animal studies, neurocognitive human studies using imaging methods, and questionnaire-based human studies using the Yale Food Addiction Scale (YFAS). The focus of this article will be the current state of research using the YFAS 2.0. Based on the diagnostic criteria for substance addiction set forth in the Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5), the YFAS assesses and evaluates the psychological aspects of human eating behavior in a standardized manner to determine whether an individual may have an addiction. When ,food addiction’ is defined in this way, its prevalence in sample populations is 5–10%. Higher prevalence is observed in patients who are obese, have a binge eating disorder or bulimia nervosa, or who are underweight. Currently, research is being conducted into links between ,food addiction’, pathological eating behavior, personality traits (e.g. cognitive control of eating behavior, impulsiveness), and depression. However, the construct of ,food addiction’ that is under consideration here is also the subject of criticism because there are still many research gaps that need to be filled in: for example with regard to distinctions and terminology, and with regard to neural and behavioral correlates, and their effects on stigmatization, prevention and therapy.

Keywords: food addiction, addictive-like eating behavior, YFAS, obesity, eating disorder

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Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 6/17 von Seite M330 bis M338.

 

 

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