Die Rückkehr der gewaltigen Fünf

Da sind sie wieder: In meist bunten Farben und mit erstaunlichen Superkräften ausgestattet treten sie an, die Welt zu retten und Gefahren von der Menschheit abzuwenden. Kaum ein Medium, das nicht über sie berichtet.

Reden wir von Spider-Man, dem gewaltigen Hulk oder Captain America?1 Nein, dem Thema der ERNÄHRUNGS UMSCHAU angemessen geht es nicht um Superman, sondern um Superfoods, die neuen Blockbuster im Supermarktregal, auf der Sonderverkaufsfläche im Bioladen oder natürlich im Internet-Shop. Und während Batman & Co. meist aus den kriminellen Suburbs der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft hervorgingen, stammen Superfoods, die etwas auf sich halten, eher aus dem asiatischen, afrikanischen oder lateinamerikanischen Raum2 und „sind dort seit vielen Generationen wichtiger Bestandteil der Heilkunst“, also stetiger Quell von Gesundheit, Lebenskraft und -lust. Und natürlich wurden sie jetzt ganz neu entdeckt, wissenschaftlich untersucht und sind endlich auch für den Durchschnittsbürger westlicher Industrienationen verfügbar. Sei es als reines Produkt oder gleich ganz convenient in der Müslimischung, als Smoothie, Superfoodtablette oder zur literarischen Annäherung in etlichen Metern Ratgeberliteratur und Kochbüchern. Früher mussten Wunderpflanzengläubige auf Ginseng setzen oder unter Lebensgefahr Alraunwurzeln ausgraben.

Nun möchte ich den neuen Umsatzbringern der Food-Branche nicht ihre Wirkung absprechen, auch wenn die nüchterne EUFIC-Definition „Lebensmittel, insbesondere Obst und Gemüse, die aufgrund ihres Nährstoffgehaltes einen höheren gesundheitlichen Nutzen als andere Lebensmittel haben“3 ja schon etwas spaßbremsig daherkommt und am Superkräfte-Nimbus kratzt (außerdem eher gegen die „anderen“ Lebensmittel spricht…). In unserem Special ab Seite M646 beleuchten Angela CLAUSEN und Sigrid RÖCHTER Chancen und Risiken der echten oder vermeintlichen Food-Superhelden.

Erinnern möchte ich an dieser Stelle jedoch daran, dass jahrelanger Züchterfleiß vielen heimischen Lebensmitteln die bei den neuen Superfoods so geschätzten Inhaltsstoffe regelrecht ausgetrieben haben: den alten Apfelsorten die Phenole (weil die eben bitter- zusammenziehend schmecken und die Schnittstelle schnell braun werden lassen) oder Kohlsorten und Zichorien-Verwandten weitere bitter schmeckende Substanzen („weil der Verbraucher das wünscht!“). Immerhin durfte die Rote Bete ihren Superfood-Farbstoff behalten, der ja die Zubereitung im heimischen Haushalt zum farbenfrohen Abenteuer macht. Das liegt vielleicht aber nur daran, dass ja irgendetwas unseren Erdbeer-Jogurt noch rot färben soll (bei dem ja mittlerweile „ohne Fruchtstückchen“ als lobenswerte Eigenschaft beworben wird).

Mein Appell: Stärken Sie Ihre Superkräfte, indem Sie die Vielfalt der sensorischen Eindrücke möglichst wenig verarbeiteter, auch einmal selbst zubereiteter und vielfältiger Lebensmittel mit Ihren fünf Geschmackswahrnehmungen in spannenden Kombinationen erleben und (wieder) schätzen lernen. Im Winter darf´s ruhig auch mal etwas bitterer Rosen- oder Grünkohl sein! Lassen Sie es sich schmecken,

Ihr U. Maid-Kohnert

1 Wer sie nicht mehr alle kennt: http://superheld.bplaced.net/viewpage.php?page_id=1 
2 Dass sich mittlerweile Heidelbeere, Leinsamen und Rote Bete als „local Superfoods“ darunter mischen, bestätigt eher diese Regel.
3 European Food Information Council (2016) Superfood: Was verbirgt sich wirklich dahinter? URL: www.eufic.org/article/de/artid/The-science-behind-superfoods/  Zugriff 29.08.16



Das Editorial finden Sie auch in Ernährungs Umschau 11/16 auf Seite M621.

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