Ernährungssouveränität: Gasista - Solidarisches Einkaufen umgeht den Zwischenhandel

In Italien wächst seit 1994 die Zahl an Verbrauchergruppen, die ihre Lebensmittel gemeinschaftlich und direkt vom Erzeuger beschaffen. Allein in der Lombardei gibt es 204 sogenannter Gasista-Gruppen, berichtet die Anthropologin Cristina GRASSENI von der niederländischen Universität Leiden.

In Italien umgehen in GAS-Gruppen organisierte Verbraucher beim solidarischen Einkaufen den Zwischenhandel und bestellen direkt beim Erzeuger.
In Italien umgehen in GAS-Gruppen organisierte Verbraucher beim solidarischen Einkaufen den Zwischen-handel und bestellen direkt beim Erzeuger.

Langfristig geht es den Gasista um die Schaffung einer solidarischen Ökonomie, so GRASSENI. Indem sie den Zwischenhandel umgehen, können sie sicherstellen, dass die Lebensmittel, die sie kaufen, fair und nachhaltig erzeugt werden. Die Lebensmittelkette muss nicht unbedingt kurz sein, aber direkt, sagt GRASSENI. So könne eine Gruppe aus Norditalien auch Orangen aus Süditalien bestellen, vorausgesetzt, sie sind fair und „mafiafrei“ erzeugt. Andere engagieren sich aber auch ernährungspolitisch oder veranstalten Märkte für die Erzeuger.

Jede Gruppe besteht aus 20–40 Mitgliedern, die sich aufteilen und sich einzeln um die Beschaffung eines bestimmten Lebensmittels kümmern. Das Mitglied recherchiert, welche Bezugs- und Transportmöglichkeiten es gibt und präsentiert der Gruppe die Ergebnisse. Wenn alle mit dem Produkt und den Preisen einverstanden sind, wird bestellt. So versorgt sich eine Gruppe abhängig von der Mitgliederzahl mit 20–40 Produkten. Im Wesentlichen geht es um die Beschaffung von Grundnahrungsmitteln, es können aber auch solidarische Schuhe im Portfolio landen. So kommt eine GAS-Gruppe leicht auf über 200 000 € Jahresumsatz.

Auch wenn die Erzeuger in Not kommen, z. B. wenn ihnen die Finanzierung ausgeht, helfen die Gasista aus. So geschehen ist dies bspw. bei einer Molkereigenossenschaft, die im Zuge der Finanzkrise in Schwierigkeiten geriet, oder als 2012 ein Erdbeben die Region um die Stadt Modena erschütterte. In letztgenanntem Fall beschlossen Gasista, den beschädigten Käse zu dem Preis zu kaufen, den er vor dem Erdbeben hatte. Ziel der Bewegung ist nicht die eigene Produktion, sondern die Rückgewinnung von Einfluss auf die eigene Lebensmittelversorgung im Sinne einer größeren Ernährungssouveränität.

=> www.nascenttransformativ.de 
=> www.economiasolidale.net 

Quelle: BZfE, Pressemeldung vom 16.08.2017



Gasista
„GAS“ ist die italienische Abkürzung für „Gruppi di Acquisto Solidale“ (Gruppe des solidarischen Einkaufens).



Diesen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 10/17 auf Seite M544.

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