Essstörungen: Hunger und Sättigung steuern unbewusst das Körperempfinden

Ob bei der Betrachtung des eigenen Körpers im Spiegel oder bei der Einordnung des Körpergefühls beim Durchschreiten einer Tür: Bei Menschen mit einer Essstörung sind nachweislich Körperbild und Körperschema gestört.1

Für weitere Forschungen zu Essstörungen sei es wichtig, Körperbild und Körperschema aufgrund der Wirkmechanismen differenziert zu betrachten. Laut Prof. Dr. Martin Diers, Psychologe und Grundlagenforscher in der Klinischen und Experimentellen Verhaltensmedizin, kann zum Thema Körperbewusstsein auf etliche Studien hinsichtlich des Körperbildes verwiesen werden, wohingegen zum Körperschema nur wenig Studien vorliegen. Dies liege daran, dass Versuche zum Körperbild einfacher durchzuführen sind, weil hierbei die bewusste Wahrnehmung des eigenen Körpers als Methodik zum Einsatz kommt. Beim Körperschema spiele das Unterbewusstsein eine entscheidende Rolle. Um unverfälschte Ergebnisse zu gewinnen, dürften die Teilnehmenden bspw. nicht über das Forschungsziel informiert sein.
Forschende des LWL-Universitätsklinikums Bochum untersuchten das Körperschema von gesunden Frauen. Hierfür wurden Studienteilnehmerinnen unter einem Vorwand mithilfe einer erfundenen Geschichte zu den Versuchen eingeladen. Für die Studie mussten sie an zwei Tagen jeweils durch eine Versuchstür gehen. Beim ersten Mal durften sie mind. 12 h lang vorher nichts gegessen haben, beim zweiten Mal mussten sie gesättigt erscheinen. Im Anschluss wurden gezielt Fragen gestellt, um sicherzugehen, dass die Probandinnen nicht schon im Vorfeld das Forschungsziel erfasst hatten. Im negativen Fall wurden diese Teilnehmerinnen ausgeschlossen.
Die Ergebnisse zeigten, dass sich die Studienteilnehmerinnen im gesättigten Zustand breiter fühlten und sich entsprechend bei breiteren Türrahmen eindrehten, wenn sie durch die Tür gingen. Ausgehungert fühlten sie sich schmaler und liefen auch noch bei schmaleren Türbreiten geradewegs durch die Tür. Hunger und Sättigung haben also einen aktiven Einfluss auf das Körperschema – das unbewusste Körpergefühl. Laut Prof. Diers hat dieses Ergebnis Auswirkung auf künftige Therapien von Essstörungen, bei denen neben dem Körperbild auch das Körperschema und im speziellen das individuelle Sättigungsgefühl für die Ausbildung eines gesunden Körperbewusstseins in den Blick genommen werden muss.

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1 Körperschema = Vorstellung des eigenen Körpers zu Ausdehnung und Lage im Raum/„unbewusstes“ Körpergefühl

Literatur
1. Baumann P et al.: Influencing the body schema through the feeling of satiety. Sci Rep 2022; 12(1): 2350.

Quelle: LWL-Universitätsklinikum Bochum der Ruhr-Universität Bochum, Pressemeldung vom 14.02.2022



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 4/2022 auf Seite M181.

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