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Neue Vorschläge des International Commitee of Medical Journal Editors: Interessenkonflikte und wissenschaftliche Publikationen

  • 13.02.2020
  • Print-News
  • Redaktion
  • Udo Maid-Kohnert

Viele erfolgreiche WissenschaftlerInnen stellen ihr Know-how auch in Beratergremien von Wirtschaftsunternehmen (z. B. Pharma, Lebensmittelbranche, Organisationen, Verlage) auf Honorarbasis zur Verfügung. Nicht selten werden auch Vorträge auf Veranstaltungen honoriert und Reisekosten sowie Kongressgebühren erstattet. Und Drittmittel sind eine wichtige Finanzierungsgrundlage für Forschungsprojekte.

Inwieweit diese und andere „Geschäftsbeziehungen“ Einfluss auf die Ausrichtung, Konzeption und Interpretation der eigenen Forschungsergebnisse haben – also möglicherweise zu Interessenkonflikten führen –, ist ein eigenes Forschungsgebiet [1, 2]. Zum guten Stil wissenschaftlichen Publizierens gehört daher die Benennung möglicher Interessenkonflikte [3].

Das International Commitee of Medical Journal Editors (ICMJE), eine Arbeitsgruppe von SchriftleiterInnen wissenschaftlicher medizinischer Zeitschriften, hat bereits vor 10 Jahren Schritte zur Vereinheitlichung der Interessenkonflikt-Erklärungen unternommen. Auch die ERNÄHRUNGS UMSCHAU orientiert sich in ihrem Formular an dieser Vorlage und definiert: „Ein Interessenskonflikt besteht, wenn Ihre Interpretation von Daten oder die Darstellung von Ergebnissen durch Ihre persönliche oder finanzielle Verbindung zu anderen Personen oder Organisationen beeinflusst werden könnte. AutorInnen sollten alle finanziellen, aber auch nicht-finanzielle Interessenkonflikte ausschließen, welche die Publikation und/oder die AutorInnen in Misskredit bringen könnten, wenn diese Verbindungen erst nach Veröffentlichung des Manuskripts bekannt (gemacht) werden.“ (www.ernaehrungs-umschau.de/fachzeitschrift/hinweise-fuer-autoren)

Noch immer handhaben sowohl AutorInnen als auch Verlage den Umgang mit der Benennung (potenzieller) Interessenkonflikte sehr uneinheitlich oder scheuen trotz unterstützender Online-Tools (z. B. www.icmje.org/conflicts-of-interestwww.convey.org) die Mühe. Nicht zuletzt sehen viele AutorInnen schon im Begriff Interessenkonflikt eine Art Vorverurteilung.

Ein neuer Vorschlag der ICME zur Interessenkonflikterklärung wurde nun Ende Januar im Deutschen Ärzteblatt [4] und zeitgleich in vielen internationalen medizinischen Fachzeitschriften vorgestellt und steht bis 30.4.2020 online zur Diskussion (www.icmje.org). Die wichtigsten Änderungen: Eine Checkliste soll dabei helfen, dass keine Beziehungen und Aktivitäten übersehen/nicht benannt werden. Da auf Basis der Checkliste nicht mehr die AutorInnen entscheiden, welche Beziehungen und Aktivitäten im Zusammenhang mit der konkreten Publikation einen Interessenkonflikt darstellen könnten, wird diese Einschätzung den LeserInnen überlassen. Der Begriff „Interessenkonflikt“ entfällt und wird durch die neutrale Bezeichnung „ICMJE-Erklärung“ (ICMJE Disclosure Form) ersetzt.

Anmerkung der Redaktion: (umk) Die Benennung möglicher Interessenkonflikte haben wir in der ERNÄHRUNGS UMSCHAU öfters thematisiert (3) – fällt doch auf, dass gerade im Vergleich zu medizinischen Journals bei Einreichungen im Bereich der Ernährungswissenschaft deutlich weniger Interessenkonflikte benannt werden. Sind die WissenschaftlerInnen unseres Forschungsgebietes weniger gut vernetzt oder besteht hier noch eine zu geringe Sensibilität? Denn die Aussage der ICME, dass sich „…Politiker, Entscheidungsträger, Patient und Öffentlichkeit bei der Meinungsbildung auf die Erklärungen verlassen muss“ gilt ja nicht nur auf dem Feld der Medizin, sondern ganz klar auch für die Ernährungsforschung. Die klare Benennung von Beziehungen und Aktivitäten dient aber nicht nur der Information der LeserInnen: Sie kann auch eine Hilfe für die AutorInnen sein, die eigenen Abhängigkeiten kritisch zu reflektieren. Eine einheitliche Checkliste – und ein verbindlicher einheitlicher Umgang auch in den wissenschaftlichen Redaktionen kann daher von Vorteil sein. Dass die ICME jetzt den Begriff (potenzieller) Interessenkonflikt durch das Kürzel ICME-Declaration ersetzen möchte, ist für mich allerdings problematisch: Es kann ein Versuch sein, den kritischen Aspekt Interessenkonflikt sprachlich und damit gedanklich zu retuschieren. Die Redaktion der ERNÄHRUNGS UMSCHAU wird den weiteren Prozess verfolgen und die Hinweise für AutorInnen bei Bedarf anpassen.

Literatur

  1. Bero L: Addressing bias and conflict of interest among biomedical researchers. JAMA. 2017; 317(17): 1723–4. doi:10.1001/jama.2017.3854
  2. Rubrin R: Backlash over meat dietary recommendations raises questions about corporate ties to nutrition scientists. JAMA. Published online January 15, 2020. doi:10.1001/jama.2019.21441
  3. Maid-Kohnert U: Wohl wahr. Wohl wahr? Interessenkonflikte in der ernährungswissenschaftlichen Forschung. Ernährungs Umschau 2013; 60(6): M314–5.
  4. Taichman DB, Backus J, Baethge C, et al.: A disclosure form for work submitted to medical journals— a proposal from the International Committee of Medical Journal Editors. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 61-3. DOI: 10.3238/ arztebl.2020.0061


Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 2/2020 auf Seite M70.

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