Titandioxid: Weißes Pigment bei Darmentzündungen meiden

  • 13.09.2017
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  • Redaktion
  • Stella Glogowski

Titandioxid, eines der meistproduzierten Nanopartikel weltweit, wird vermehrt auch in Lebensmitteln eingesetzt. Nehmen Darmzellen Titandioxid-Partikel auf, führt dies bei Mäusen mit einer Darmerkrankung zu mehr Entzündungen und Schädigungen der Darmschleimhaut.

Wissenschaftler um Gerhard ROGLER, Professor für Gastroenterologie und Hepatologie der Universität Zürich, empfehlen Patienten mit Darmentzündungen, auf Lebensmittel zu verzichten, die Titandioxid enthalten [1]. Zuerst untersuchten die Wissenschaftler den Effekt von anorganischen Titandioxid-Partikeln in Zellkulturen. Sie konnten zeigen, dass Titandioxid in menschliche Darmepithelzellen und in Makrophagen (Fresszellen) eindringen und sich dort anreichern können. Die Nanopartikel wurden von einem Bestandteil des unspezifischen Immunsystems, dem NLRP3-Inflammasom, als Gefahrensignal erkannt. Dies löste die Produktion von entzündungsfördernden Botenstoffen aus. Zudem wiesen Patienten mit Colitis ulcerosa, deren Darmbarriere gestört ist, erhöhte Konzentrationen von Titandioxid im Blut auf. „Das zeigt, dass diese Partikel unter bestimmten Krankheitsbedingungen aus der Nahrung aufgenommen werden können“, sagt ROGLER.

In einem weiteren Schritt verabreichten die Wissenschaftler Mäusen, die als Krankheitsmodell für chronisch-entzündliche Darmkrankheiten dienen, Titandioxid-Nanopartikel oral. Auch hier aktivierten die Partikel den NLRP3-Komplex, was zu einer stärkeren Darmentzündung und einer größeren Schädigung der Darmschleimhaut führte. Zudem reicherten sich Titandioxid-Kristalle in der Milz der Tiere an. Ob sich diese Befunde bei Menschen bestätigen lassen, müssen weitere Untersuchungen zeigen. „Aufgrund unserer Ergebnisse“, folgert ROGLER, „sollten Patienten mit einer Störung der Darmbarriere (...) auf Titandioxid-haltige Nahrungsmittel verzichten.“

Literatur: 1. Ruiz PA et al. (2017) Titanium dioxide nanoparticles exacerbate DSS-induced colitis: role of the NLRP3 infl ammasome. Gut [DOI: 10.1136/gutjnl-2015-310297]

Quelle: Universität Zürich, Pressemeldung vom 19.07.2017



Anmerkung der Redaktion: Titandioxid steht auch für gesunde Menschen in der Kritik: Das Risikobewertungskomitee der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) schlussfolgert aus der wissenschaftlichen Datenlage, dass Titandioxid bei inhalativer Aufnahme als wahrscheinlich krebserregend eingestuft werden kann. Dieser Einstufungsvorschlag muss von der EU- Kommission geprüft und in geltendes Recht umgesetzt werden. In seiner Funktion als EU-Mitglied wird Frankreich die Substanz in den kommenden Jahren evaluieren.

Quellen:
ECHA, Pressemeldung vom 09.06.2017
ECHA, Substance evaluation CoRAP. Zugriff 20.07.17
Wikipedia, Titan(IV)-oxid. Zugriff 20.07.17 

Diesen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 9/17 auf Seite M486.

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