1. Tagung der Ernährungs Umschau: Essen als Ideologie – Ernährungskommunikation in postfaktischen Zeiten

Warum schließen sich immer mehr Menschen ausgefallenen Ernährungstrends an, die die Lebensmittelauswahl z. T. drastisch begrenzen? Und wie sollen Fachkräfte mit überzeugten Anhängern und massenhaft kommunizierten Inhalten eventuell gesundheitsschädlicher Trends umgehen? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, fanden sich am 27. Oktober ca. 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur 1. Tagung der ERNÄHRUNGS UMSCHAU im voll besetzten Saal des Hauses am Dom in Frankfurt ein.

In seiner Einführung wies Dr. Udo MAID-KOHNERT, Redaktionsleiter der Ernährungs Umschau, darauf hin, dass der Begriff „postfaktisch“ zum Zeitpunkt der Tagungsplanung noch nicht zum „Un“wort des Jahres 2016 gewählt worden war. Ziel der Tagung war, herauszuarbeiten, welche Herausforderung die postfaktische „Argumentions“weise gerade für die Ernährungskommunikation darstellt und wie Ernährungsfachkräfte damit umgehen können. Konnten die Teilnehmer/-innen sich am Vormittag in der Rolle des Zuhörers noch zurücklehnen, waren sie am Nachmittag in drei Workshops selbst gefordert, mitzudenken und zu diskutieren.

Einen leidenschaftlichen Einführungsvortrag dazu, was hinter den „postfaktischen“, großen Ernährungstrends steht und wie sie in den Medien promotet werden, hielt Johanna BAYER, Wissenschaftsjournalistin und Autorin des Blogs „Quark und so“. Beispielhaft widmete sie sich den drei großen Trends: vegan, Clean Eating und Crossover. Im Zuge der großen Verbreitung des vegan-Trends in den letzten Jahren ist BAYER zufolge der früher bei dieser Ernährungsform dominierende Tierschutzgedanke z. T. in den Hintergrund getreten zugunsten der Argumentation, dass eine vegane Ernährung gesünder für den Menschen sei als Nahrungsformen, die tierische Lebensmittel enthalten. Gerade diese „Schwarz-Weiß“-Unterteilung zwischen gesund (= vegane Lebensmittel) und ungesund (= nicht vegane Lebensmittel) kritisierte BAYER scharf, hätte doch die Ernährungsfachwelt diese Polarisierung mühsam überwunden. Unter anderem an diesem Beispiel werde deutlich, wie Gesundheitsaussagen, die durch Trends kolportiert werden, den öffentlichen Diskurs massiv beeinflussen, selbst wenn sie nicht belegt oder sogar falsch sind. Auch beim Clean Eating, welches an sich ein gesundheitsförderlicher Lebensstil ist, sei nicht der Trend an sich, sondern die völlig überzogenen Begründungen für seinen Gesundheitswert („Zucker ist giftig“, „Weißmehl macht den Darm löchrig“) und die damit verbundenen ausgeprägten Einschränkungen kritisch zu sehen. Hinter vielen dieser Trends ständen medizinische Laien.

Warum nun folgen die Menschen irreführenden und überzogenen Argumenten und sind empfänglich für die dahinterstehenden Ideologien? Markus SCHRECKHAAS, Kulturwissenschaftler an der Universität Regensburg, näherte sich diesem Phänomen aus historischer Sicht. Den Begriff „Ideologie“ definierte er als „Glaubens- oder Wertesystem, zu dem es einen Gegenentwurf gibt“. Erst aus gegenteiligen Meinungen ziehe die Ideologie ihre Daseinsberechtigung.
Bis zum Mittelalter habe es trotz sich immer feiner entwickelnder Esskulturen keine Ernährungsideologien gegeben, da die herrschende, in Europa meist von der Kirche vorgegebene Meinung nicht hinterfragt wurde. Als erster Gegenentwurf zur kirchlich gepredigten Askese verbreitete sich ab dem 16. Jahrhundert die Utopie vom „Schlaraffenland“, in dem jeder bis zum Übermaß essen kann.
Blieb die Vorstellung vom Schlaraffenland noch im Bereich der Phantasie, entstanden während der Industrialisierung mit ihren bekannten Folgen von Verstädterung und Lebensmittelverunreinigungen als erste aktive Gegenbewegungen die „Zurück zur Natur“- und Lebensreformbewegung. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts blieben solche Bewegungen noch gesellschaftliche Randerscheinungen, weil (gerade im Bereich Essen) Tradition und Kultur klar und wenig angezweifelt vorgaben, wer in der Gesellschaft wo stand und wie er/sie sich zu verhalten hatte, auch beim Essen.

Die Ernährungsfachwelt ist daher gefordert, nicht nur argumentativ zu reagieren, sondern den Menschen aktiv über eine gute Ernährungskommunikation zu geben, was ihnen fehlt: Orientierung und Vertrauen.

Erst in den letzten 50 Jahren wurden diese Vorgaben – die selbstverständlichen Lebensläufe und -abläufe – aufgebrochen. Lebensstile konnten zunehmend selbstbestimmter gewählt werden, was andererseits zu einem Verlust an Orientierung und festen Vorgaben führe. Diese Orientierungslosigkeit sei die Basis für neue Ideologien, die durch ihre einfache Argumentation und die Aussicht auf eine tragende Gemeinschaft anziehend wirkten.
Aktuell ringen so verschiedene Trends um die Deutungshoheit bzw. beanspruchen die „Wahrheit“ für sich, auch in der Esskultur. Die Ernährungsfachwelt sei daher gefordert, nicht nur argumentativ zu reagieren, sondern den Menschen aktiv über eine gute Ernährungskommunikation zu geben, was ihnen fehlt: Orientierung und Vertrauen.

Was zu einer „guten“ Kommunikation alles dazugehört, erläuterte Hermann BOLAND, Prof. für Beratungs- und Kommunikationswesen i. R., mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Vermittlung kommunikativer Kompetenz. Für Absolventen seiner Beratungsseminare bekannt, erläuterte er zunächst, was Kommunikation ist und was sie ausmacht, u. a. den Inhalts- und Beziehungsaspekt einer Nachricht sowie die Bedeutung des Kommunikationskanals. Besonders interessant im Hinblick auf das Tagungsthema zeigte sich das Zitat: „Ich weiß nie genau was ich gesagt habe, bevor ich eine Antwort darauf gehört habe.“ (N. WIENER): Was bei einem Menschen tatsächlich ankommt, hängt zu einem großen Teil von ihm und nicht nur vom Inhalt der Nachricht ab. Die Wahrheit „entstehe in den Köpfen der Menschen“; dies müsse bei einer gelungenen Kommunikation berücksichtigt werden.

Postfaktische Kommunikation ist daher stets der Versuch eines Beziehungsaufbaus.

Auch dem Begriff „postfaktisch“ widmete sich BOLAND: Wenn Fakten, d. h. ein relevanter Inhalt einer Nachricht, keine Rolle mehr spielten, bliebe nur noch der Beziehungsaspekt bestehen – die emotionale Ebene. Die postfaktische Kommunikation sei daher stets der Versuch eines Beziehungsaufbaus. Der Rezipient/Zuhörer solle emotional auf die eigene Seite gezogen bzw. dahingehend beeinflusst werden, sich dem Sender der Nachricht anzuschließen. Die dargebotenen Argumente könnten noch so abwegig sein, weil sie in diesem Zusammenhang der „Werbung“ um Menschen und Beziehungen schlicht eine untergeordnete Rolle spielen würden. Als Fazit regte BOLAND die anwesenden Fachkräfte dazu an, in ihrer Kommunikation immer auch die Beziehungsebene zu beachten, die sich, betrachte man Ernährungstrends, als so wichtig herausstelle. Auf Nachfrage aus dem Plenum ergänzte er die entscheidende Aussage, dass das Handwerkszeug zum Umgang auch mit „postfaktischen“ Argumenten in der Beratung nicht erst erfunden oder neu entwickelt werden müsse. Die klassischen Beratungsgrundlagen, z. B. nach ROGERS (klientenzentrierte Gesprächsführung), oder auch darauf aufbauende Methoden wie Motivational Interviewing1 seien mit ihren Prinzipien Wertschätzung, Authentizität und Empathie für eine solche Kommunikation grundlegend und geeignet.

Prof. Michael MACHT, Psychotherapeut mit dem Forschungsschwerpunkt Essen und Emotionen an der Universität Würzburg, bot einen Exkurs weg von der Kommunikation hin zu psychologischen Prozessen, die Essentscheidungen zugrunde liegen. Er erläuterte, welche Rolle Gefühle und Denkprozesse für Essentscheidungen spielen. „Essen ohne Gefühl geht nicht“, postulierte er und belegte an Beispielen, dass wir „nur ganz schwer hungrig oder satt sein können, ohne dabei etwas zu fühlen“.

Essen ohne Gefühl geht nicht.

Umgekehrt würden Emotionen auch die Nahrungsaufnahme steuern, im Fall von „emotionalem“ (z. B. stressgebundenem) Essen zuweilen auch dysregulativ, d. h. unangemessen. Aber auch Denkprozesse spielten eine Rolle beim Essen, darunter Assoziationen wie andere Menschen, Orte oder Aktivitäten, die individuell mit bestimmten Nahrungsmitteln verbunden würden. Essentscheidungen seien also komplex und häufig unbewusst von inneren und äußeren Reizen, inklusive eines großen Anteils an Emotionen, gesteuert.

Nach dieser Reihe an intensiven Vorträgen fanden sich die Teilnehmer am Nachmittag in drei Workshops zusammen, um an konkreten Problemen in der Ernährungskommunikation und -beratung in „postfaktischen Zeiten“ zu arbeiten. 

Die Workshops: Von „stiller Post“ und Essen als Ausdruck der Persönlichkeit

Nach dieser Reihe an intensiven Vorträgen fanden sich die Teilnehmer am Nachmittag in drei Workshops zusammen, um an konkreten Problemen in der Ernährungskommunikation und -beratung in „postfaktischen Zeiten“ zu arbeiten.

Workshop 1: Medien und Ernährungsthemen

Im Workshop von Johanna BAYER ging es in einem Impulsvortrag und der anschließenden Diskussion darum, wie Medienvertreter mit „postfaktischer“ Kommunikation in den Massenmedien und Social Media umgehen können. Als Einstieg gab sie einen Einblick in mediale Formen: Qualitätsmedien, Frauenzeitschriften, Sport- und Wellness, yellow press, Boulevard, Internet, Online-Formate der Tageszeitungen und Magazine: In allen Medienformen habe das Thema Ernährung seinen festen Platz. Wie es aufgegriffen wird, werde durch die Art der Zielgruppenansprache bestimmt.

Ein sehr beliebtes Format sind Checks/Marktvergleiche, z. B. die typischen Vergleichsverkostungen in Fußgängerzonen oder „Marke vs. Discounter“-Vergleiche. Diese sind mit Ausnahme hierauf spezialisierter Formate oft eher „handgestrickt“ und genügen selten wissenschaftlichen Ansprüchen, was die Testkriterien, Repräsentativität und Qualifikation der Tester und die Gefahr von Verzerrungen der Ergebnisse betrifft.

Um zu wissen, wie Ernährungsthemen in den Medien bearbeitet werden, wies BAYER auf die Arbeitsweisen der Redaktionen hin:

  • Ernährung ist ein Anfänger-Thema“, welches auch von Volontären bearbeitet wird. Häufig zu beobachten: Ignoranz der Chefredakteure, dass auch zu diesem Thema seriös recherchiert werden muss.
  • Es gilt: Seriosität ist ein Problem von Angebot und Nachfrage! Verkürzte, reißerische Darstellungen generieren Klicks und Nachfrage. 
  • Medienmacher machen Meinung, der Hintergrund der Medienmacher bestimmt die Themenwahl: Diese ist immer auch Spiegel der Ernährungssozialisation, Essbiografie und der derzeitigen Einstellung der Redakteure („Altlinke“, Grüne, Konservative, Nord- und Süddeutschland usw.). 

Thema, Aussage und Statements („gut/böse“) geladener Gäste werden in TV-Formaten tlw. schon bei Sendungsplanung drehbuchmäßig geplant. Der Aufwand für seriöse (Vergleichs)tests wird oft gescheut. Damit kommen Wissenschaftler oft nicht klar. Andere „Experten“ bedienen diese Lücke (Interessenverbände, freie Ernährungs“berater“). Journalisten arbeiten dabei zudem oft unter Zeitdruck, daher müssen Interviewzusagen in engen Zeitfenstern gegeben werden, Statements dürfen nicht zu detailliert-weitschweifig oder auch zu unscharf/relativierend sein. Hat ein Experte einmal die Kriterien erfüllt, wird er immer wieder nachgefragt. Das engt das Spektrum der dargestellten Experten-Statements ein.

Zur Aufbereitung von Ernährungsthemen bedienen sich Journalisten ganz unterschiedlicher Quellen: Pressemeldungen, Studienabstracts (Volltext wird aus Zeitgründen oft nicht nachgeschaut), NGOs, Industrie, Prominente, „Omas Wissen“, Schule, alternative und komplementäre Ernährung, Sporternährung, Umfragen.

Fazit des Workshops:

  • Experten sollten nicht versuchen, die „bösen“ Medien zu ändern, sondern vielmehr lernen, deren Gesetzmäßigkeiten zu nutzen. Wissenschaftler, Institute und Fachgesellschaften sollten sich dazu von Kommunikationstrainern beraten lassen. 
  • Journalistisch Tätige sollten sich immer bewusst sein, dass sie selbst sich auch in „Blasen“ ihrer eigenen Sichtweisen und denen ihres Meinungsumfelds bewegen und Themen, die der eigenen Weltanschauung entsprechen, bevorzugen. Ganz automatisch werden so in Dokumentationen, Tests und Interviews die zu einer vorher geplanten Aussage passenden Statements eingesammelt, statt tatsächlich möglichst verschiedene Standpunkte darzustellen. 
  • Wichtig für die Bewertung von Quellen gerade in der Ernährungskommunikation ist, dass auch Nicht-Regierungs-Organisationen interessengebunden handeln, in ihrer angenommenen Neutralität aber oft nicht hinterfragt werden. 


Workshop 2: Ernährungspsychologie: Essen als Ausdruck der Persönlichkeit – Wie nutzen wir dies in der Beratung?

Zur Einleitung des Workshops diente Ernährungspsychologin Prof. Katja KRÖLLER von der Hochschule Anhalt ein von ihr vorgetragenes Fallbeispiel einer jungen Frau, die im Lauf ihrer Jugend und Familiengründung immer wieder ihre Stellung zu und Mitarbeit im elterlichen Bauernhof ändert und dabei auch ihre Essstile wechselt, bis sie schließlich Veganerin wird und auch ihre Kinder vegan ernähren möchte.

Die Teilnehmerinnen waren zunächst aufgefordert, in Kleingruppen die Veränderungen im Essverhalten der jungen Frau anhand von Lebenssituationen herauszuarbeiten. Dies wurde im Plenum festgehalten und weiter diskutiert. Die Teilnehmerinnen gingen den Fragen nach, welche Anlässe die Frau aus dem Fallbeispiel bewegen, ihr Essverhalten zu ändern und welchen Zweck sie mit dem veränderten Essverhalten verfolgt. Als mögliche Motive wurden herausgearbeitet: Abtrennung von den Eltern, Hinwendung/Loyalität zum Freund/Lebenspartner, Verarbeitung eines belastenden emotionalen Ereignisses (Fehlgeburt), Zugehörigkeit zu einer stabilisierenden Gruppe. Fazit dieses ersten Teils: Das Essverhalten dient sehr stark der Identitätsfindung und hat hier wichtige Funktionen, die zunächst gar nicht viel mit „Essen“ zu tun haben müssen und auch nicht über „anders essen“ erfüllt werden können. Dies gilt es in der Beratung und Beschäftigung mit Essstilen von Menschen unbedingt zu beachten.

In einem zweiten Teil wurde in Kleingruppen erarbeitet, wie die Teilnehmerinnen die Frau aus dem Fallbeispiel beraten würden, käme sie in eine Ernährungsberatung. Die meisten Teilnehmerinnen blieben hier bei dem klassischen Beratungsansatz, wie ihn auch Prof. BOLAND vormittags vertrat:

  • In der Beratung als zentrale Aufgabe die Selbstbestimmung des Klienten respektieren. 
  • Durch aktives Zuhören, offene Fragen und das Anregen von Perspektivwechseln die Ausgangssituation, Motive und Ziele der Klientin beleuchten und auch für sie selbst klären. 
  • Die emotionale Ebene und Funktionen des Essverhaltens in ihrem Leben berücksichtigen.
  • Auf argumentative Konfrontation verzichten, d. h. nicht über das Für und Wider von veganer Ernährung debattieren, da das eher zu Ablehnung führt. Stattdessen auf Wunsch Fachinformationen zu dieser Ernährungsweise anbieten, ggf. eigene Bedenken aussprechen. 

Fazit:

Die Ergebnisse der Gruppen zeigten, dass der Beratungserfolg im Fallbeispiel, welches stellvertretend für ideologisierte Ernährungsstile stehen sollte, nicht darin liegt, die Patientin von einer vermeintlich für sie oder ihr Kind nicht gesundheitsförderlichen Ernährungsweise „abzubringen“. Vielmehr ist es Aufgabe der Beraterin/des Beraters, ihre Selbstwirksamkeit zu stärken, ihr zu helfen, Klarheit über ihre Motive, ihr Essverhalten und seine Herausforderungen zu gewinnen, auf Anfrage Informationen zu ihrer Ernährungsweise zur Verfügung zu stellen und ggf. auch eigene Bedenken zu äußern, aber sie in ihrem selbstbestimmten Ernährungsverhalten bestmöglich im Hinblick auf eine gesundheitsförderliche Ausgestaltung zu unterstützen.


Workshop 3: Werkzeugkasten Ernährungskommunikation – Gesprächsführung in schwierigen Beratungssituationen

Im Workshop von Prof. BOLAND erarbeiteten die Teilnehmer/-innen Werkzeuge für einen „Werkzeugkasten Ernährungskommunikation“. Dazu stellten sie im Rollenspiel eine Beratungssituation nach, weitere Übungen ergänzten die Methodenfindung. Allen ideologisch geprägten Einstellungen zum Trotz sollte die Beraterin/der Berater präzise hinschauen bzw. -hören und die Klientin/den Klienten nicht einengen. Seine/ihre Argumente sollten respektiert und von der Beraterin/dem Berater mit eigenen Worten gekürzt wiedergegeben werden können. So fühlt sich die ansprechende Person verstanden. Durch den Versuch der Beraterin/des Beraters, das Bild im Kopf des Anderen zu ergründen und eventuell sogar mitzuerleben, kann eine zufriedenstellende und auf gegenseitigem Respekt aufbauende Gesprächssituation geschaffen werden. Je mehr Informationen hierbei der Beratungsperson zur Verfügung stehen, desto besser kann sich das Gespräch entwickeln. Dies ist Grundvoraussetzung für die Schaffung eines angenehmen Gesprächsklimas.

Eingang in den „Werkzeugkasten Ernährungskommunikation“ fanden schließlich u. a.:

  • Aufmerksamkeit/Achtsamkeit 
  • Wertschätzung 
  • Fakten erfragen 
  • sich auf den Anderen einlassen
  • angenehmes Gesprächsklima schaffen
  • offene Fragen
  • einfache Fragen
  • Nachfragen/Wiederholen
  • Mimik beobachten
  • konkret formulieren
  • Ziel festlegen

Fazit:

Auch im ideologisch geprägten Zeitalter bleiben die „Zutaten“ für ein erfolgreiches Beratungsgespräch die gleichen. Der strategische und kommunikative Umgang der Beraterin/des Beraters mit der/dem Ratsuchenden sollte auf gegenseitigem Respekt und Wertschätzung basieren.

Fazit der Veranstaltung

In einer „postfaktischen“ Kommunikation ideologisierter Inhalte geht es den „Sendern“ nicht so sehr um die von ihnen vorgetragenen Inhalte, sondern darum, die Zuhörer emotional auf ihre Seite zu ziehen und „ihrer“ Gruppe anzuschließen. Daher ist es oft wenig erfolgreich, gegen die z. T. widerlegten oder schlicht erfundenen Inhalte extremer Ernährungstrends argumentativ „anzudebattieren“.
 Warum findet postfaktische Kommunikation gerade jetzt so viele Zuhörer? Weil die Menschen immer weniger in „automatischen“ Zugehörigkeiten wie vorgeschriebenen Rollen oder Lebensstilen aufwachsen und leben („Lebensstilgesellschaft“). Lebensstiltrends bieten Orientierung, welche Menschen suchen und – ganz menschlich – brauchen. Experten sollten die genannten Punkte berücksichtigen und respektieren. Sie sollten auf immer neue Trends und ihre wenig belegten oder falschen Herleitungen nicht erst reagieren, sondern sind gefordert, selbst in der Öffentlichkeit aktiv mit einer methodisch durchdachten, guten Ernährungskommunikation zu agieren. Dabei sollten sie die Möglichkeiten der modernen Medienlandschaft verantwortungsvoll nutzen.
Auch in „postfaktischen Zeiten“ gelten und wirken für die geforderte gelungene Kommunikation (z. B. in der Einzelberatung) die Prinzipien einer aufmerksamen, wertschätzenden Kommunikation und Beratung.

1 vgl. Messner T (2016) Motivational Interviewing. Ein Ansatz zur Stärkung der Eigenmotivation in der Beratung. Ernährungs Umschau 63: M94–M105



Termin für die 2. Tagung der ERNÄHRUNGS UMSCHAU steht bereits fest

Für den 19.10.2018 ist ein größerer Saal im Haus am Dom gebucht. Das Tagungsthema wird Anfang 2018 in der Ernährungs Umschau bekannt gegeben. Das Feedback zur 1. Tagung werden wir berücksichtigen und freuen uns auf Ihr Kommen!



Diesen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 12/17 auf Seite M672 bis M673.

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