Abb. 1: Pro- und antiinflammatorische Ernährungsformen und ihre Verbreitung [mod. nach: Stromsnes K et al.: Anti- inflammatory properties of diet: role in healthy aging. Biomedicines 2021; 9(8): 922.]
Abb. 1: Pro- und antiinflammatorische Ernährungsformen und ihre Verbreitung [mod. nach: Stromsnes K et al.: Anti- inflammatory properties of diet: role in healthy aging. Biomedicines 2021; 9(8): 922.]

Update Ernährungsmedizin in München: Kann die Ernährung die Empfänglichkeit für oder den Verlauf von Infektionskrankheiten wie SARS-CoV-2 beeinflussen?

(scs) Erkenntnisse dazu, inwieweit eine Ernährung „antientzündlich“ gestaltet werden kann und ob sie damit auch Infektionskrankheiten vorbeugt, stellten Prof. Petra Rust (Universität Wien) und Prof. Jakob Linseisen (Universität Augsburg) auf dem diesjährigen Update Ernährungsmedizin in München vor.

Faktoren einer antientzündlichen Ernährung
Rust zeigte, dass die in Mitteleuropa verbreitete sog. „Western Diet“ die einzige eher pro-inflammatorische der weltweiten Ernährungsformen ist. Im Gegensatz dazu wirken die „Nordic Diet“, die mediterrane Ernährungsform sowie traditionelle japanische und chinesische Kostformen eher anti-inflammatorisch (• Abbildung 1). Zu den wichtigen Faktoren, über die die Ernährungsform Einfluss auf kurz- und langfristige Entzündungsprozesse im Körper nimmt, zählte sie Körpergewicht und Körperfettgehalt sowie die Zufuhr von Antioxidanzien, sekundären Pflanzenstoffen und n-3-Fettsäuren. Ein weiterer wichtiger Faktor sei die Zusammensetzung der Darmmikrobiota: Eine pflanzenbasierte Ernährung begünstigt das Wachstum nützlicher Darmbakterien, welche anti-inflammatorische Substanzen freisetzen.
Am Beispiel der n-3-Fettsäuren zeigte Rust auch, dass es kaum möglich ist, einen antientzündlichen Effekt durch den Verzehr eines einzigen Lebensmittels zu erwirken: Um die für eine antientzündliche Wirkung benötigte Menge an n-3-Fettsäuren pro Tag aufzunehmen, müsste eine Person täglich 150 g Makrele oder Lachs verzehren. Sie verwies darauf, dass daher die Vielfalt beim Essen und das Ernährungsmuster als Ganzes wesentlich sind für das Immunsystem. Dies zeigte sie anschaulich in einem Schaubild zum Zusammenspiel aus unausgewogener Ernährung mit hohem Zucker- und Fettanteil und niedriger Vitamin- und Mineralstoffzufuhr, Adipositas mit erhöhter chronischer Entzündung sowie Mangelernährung und einer aufgrund dieser Faktoren verminderten Immunantwort. Ihr Fazit lautete:

  • „Die Kombination von Lebensmitteln, die reich an entzündungshemmenden Stoffen sind, kann dazu beitragen, die durch Krankheiten und ungesunde Ernährung hervorgerufenen Entzündungsprozesse zu lindern und die schädlichen Auswirkungen von Lebensmitteln mit entzündungsfördernder Wirkung zu verringern.“

Hat der Vitamin-D-Status Einfluss auf Atemwegsinfekte?
Eine Übertragbarkeit dieser allgemein anti-inflammatorischen Effekte im Stoffwechsel auf die konkrete Beeinflussung von Infektionskrankheiten und im Speziellen einer SARS-CoV-2-Infektion im Einzelfall ist wahrscheinlich und wurde in den letzten Jahren viel diskutiert. Sie hängt aber von vielen weiteren individuellen Faktoren ab und ist schwierig nachzuweisen. Dies zeigte der Vortrag von Prof. Linseisen am Beispiel des Einflusses von Vitamin D auf entzündliche Krankheiten. Einige Beobachtungsstudien zeigen Assoziationen eines niedrigen Vitamin-D-Status mit einem erhöhten Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion bzw. einem schwereren Verlauf. Die Ergebnisse seien jedoch unzureichend, um einen kausalen Zusammenhang herzustellen, so berichtete er – nicht immer sind externe Einflussfaktoren berücksichtigt und es fehlen kontrollierte randomisierte Interventionsstudien (RCTs)1. Bei akuten Atemwegserkrankungen im Allgemeinen legt die aktuelle Studienlage einen präventiven Effekt eines ausreichend hohen Vitamin-D-Spiegels nahe. Als Fazit fasste Linseisen zusammen:

  • Im Hinblick auf die Prävention von Atemwegserkrankungen sollte ein Vitamin- D-Mangel (25OHD < 30 nmol/L) durch Supplementierung behoben und ein adäquater Vitamin-D-Status gerade im Winter sichergestellt werden.
  • Obwohl eine therapeutische Wirkung von Vitamin D bei SARS-CoV-2 nicht nachgewiesen wurde, sei es nicht ausgeschlossen, dass es eine positive Akutantwort hervorrufen könnte.
  • Megadosen von Vitamin D sollten auf Einzelgaben zur Behebung starker Unterversorgung beschränkt und nicht dauerhaft verabreicht werden, um das (allerdings sehr seltene) Risiko einer Sklerotisierung in Organen nicht zu übersehen. 

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1 Zum Nachweis kausaler Zusammenhänge durch RCTs Schwingshackl: „Randomisierte kontrollierte Studien“ in diesem Heft ab S. M688.

Zum zweiten Mal fand das Update Ernährungsmedizin online statt: Am 21. und 22.10. trafen sich ErnährungsmedizinerInnen und -fachkräfte zu einer wie immer abwechslungsreichen Fortbildung, veranstaltet vom Else Kröner Fresenius Zentrum für Ernährungsmedizin (EKFZ). Aus der Vielfalt an Themen berichten wir auszugsweise über das hochaktuelle Thema Ernährung und Atemwegserkrankungen.



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 12/2022 auf Seite M648 bis M649.

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