Leberbiopsien mit verschiedenem Grad der Leberfettansammlung
Mikroskopische Aufnahmen von Leberbiopsien mit verschiedenem Grad der Leberfettansammlung. NASH: non-alcoholic steatohepatitis. (Foto: DIfE)

Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE): Wie Protein vor Leberfett schützt

Die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (non-alcoholic fatty liver disease, NAFLD) ist weltweit die häufigste chronische Lebererkrankung mit zum Teil lebensbedrohlichen Folgen. Eine proteinreiche, energiereduzierte Ernährung kann das schädliche Leberfett verringern – und zwar effektiver als eine proteinarme Kost. Welche molekularen und physiologischen Prozesse sich dahinter verbergen könnten, zeigt eine Studie [1], die im Fachblatt Liver International publiziert wurde.

Die NAFLD ist durch eine Fettansammlung in der Leber gekennzeichnet und geht oft mit Übergewicht, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen einher.

(Vgl. Fortbildungsartikel: Nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD) und nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH): Pathophysiologie und Ernährungsaspekte.)

Unbehandelt kann die NAFLD zur Entzündung (Steatohepatitis) und einer Leberzirrhose mit lebensbedrohlichen Folgen führen. Die Krankheitsursachen reichen von einem ungesunden Lebensstil mit einem Zuviel an sehr fetten und zuckerreichen Lebensmitteln und einem Mangel an Bewegung bis hin zu genetischen Komponenten.
Bereits in früheren Studien konnte das Forschungsteam um PD Dr. Olga Ramich und Professor Andreas Pfeiffer vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) und der der Arbeitsgruppe Klinische Ernährung des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung e. V. (DZD) einen positiven Effekt der proteinreichen Diät auf den Leberfettgehalt beobachten. Proteinreiche Diät ist wirksamer als eine proteinarme.

Frau Dr. Ramich, da das Thema High vs. Low Protein ja immer wieder für Kontroversen sorgt, hätte ich zur Einordnung dieser Arbeit vier Fragen: Die Studie wurde an „patients with morbid obesity and NAFLD“ durchgeführt. Sehen Sie aufgrund dieser Ergebnisse eine Relevanz auch für die „gesunde“ Normalbevölkerung hinsichtlich der Empfehlungen für die Proteinzufuhr?

Ramich: Tatsächlich wurde die Studie an Patienten mit schwerer Adipositas und NAFLD durchgeführt. In unserer vorherigen Studie [2] konnten wir auch die Effektivität der proteinreichen Diät für die Reduktion der Leberfett bei Probanden mit Typ 2 Diabetes demonstrieren. Für gesunde Menschen sind unsere Ergebnisse eher weniger relevant, weil sie i. d. R. nicht an Fettleber leiden.

Die Hochproteindiät Ihrer Studie basierte überwiegend auf tierischen Protein. Sie sprechen zugleich die Arbeit „Isocaloric diets high in animal or plant protein reduce liver fat and inflammation …“ an. Welche Aspekte sind bei der Auswahl pflanzlicher Proteine zu beachten?

Ramich: Bei Auswahl pflanzlicher Proteine muss man beachten, dass man alle unentbehrlichen Aminosäuren in ausreichenden Mengen konsumiert. Eine ausgewogene Lebensmittelauswahl ermöglicht es, den Bedarf an unentbehrlichen Aminosäuren durch pflanzliche Proteine optimal zu decken. Wird Getreide beispielsweise zusammen mit Hülsenfrüchten oder Nüssen verspeist, so können geringere Mengen unentbehrlicher Aminosäuren des einen Lebensmittels durch das andere hervorragend ergänzt werden.

Zwischen 30 En% und 10 En% Protein wie in der Studie eingesetzt ist ein großer Unterschied. Haben Sie bereits Hinweise/Daten, ab welchem Proteinanteil die Effekte deutlich werden? Gibt es einen Schwellenwert/Umschlagpunkt der Stoffwechselregulation oder sehen Sie da ein Kontinuum?

Ramich: In unserer Studie wurde auch eine Referenzgruppe von Probanden mit moderater Proteinzufuhr (20–22 EN%) untersucht, die auch effektiv das Leberfett reduzierte. Deswegen kann man vermuten, dass mindestens ab diesem Proteinanteil die Effekte deutlich werden.

Sehen Sie für Ernährungsempfehlungen einen Zielkonflikt zwischen „High (animal) protein“ als gesundheitsförderlicher Empfehlung für bestimmte Zielgruppen und dem Klima-Aspekt einer weltweit zu hohen Fleischproduktion?

Ramich: Einen gewissen Konflikt kann man sehen, sofern der Proteinkonsum in Form von Fleisch und evtl. Milchprodukten erfolgt. Wie aber oben erwähnt, kann Pflanzenprotein aber genauso effektiv sein. Außerdem werden aktuell andere Quellen für tierisches Protein entwickelt, z.B. Insektenprotein. Das kann ressourcenschonender sein.

Frau Dr. Ramich, vielen Dank für diese Informationen!
(Das schriftliche Interview führte Dr. Udo Maid-Kohnert)

 

Literatur

  1. Xu C, Markova M, Seebeck N, et al.: High-protein diet more effectively reduces hepaticfat than low-protein diet despite lower autophagy and FGF21 levels. Liver Inter 2020; in press (E-pub ahead of print) [Open Access] [https://doi.org/10.1111/liv.14596]
  2. Markova M, Pivovarova O, Hornemann S et al.: Isocaloric Diets High in Animal or Plant Protein Reduce Liver Fat and Inflammation in Individuals With Type 2 Diabetes. Gastroenterol 2017; 152(3): 571–85.e8, February 01, 2017

Quelle: DIfE, Pressemeldung vom 10. August 2020

Das Forschungsteam um Ramich und Pfeiffer untersuchte, wie der Proteingehalt der Nahrung die Menge des Leberfetts von stark übergewichtigen Menschen mit NAFLD beeinflusst, für die eine bariatrische Operation zur Behandlung des Übergewichts geplant war: 19 ProbandInnen erhielten für 3 Wochen entweder eine Diät mit hohem oder niedrigem Proteingehalt. Im Rahmen der Operation wurden dann auch Leber-Biopsieproben entnommen. Deren Analysen ergaben, dass eine energiereduzierte Ernährung mit hohem Proteingehalt das Leberfett wirksamer reduzierte als eine energiereduzierte proteinarme Ernährung: Während der Leberfettgehalt mit der proteineichen Diät um rund 40 % sank, war die Fettmenge in den Leberproben der ProbandInnen mit proteinarmer Diät unverändert. Die TeilnehmerInnen beider Gruppen verloren rund fünf Kilogramm Gewicht.

„Sollten sich die Ergebnisse in größer angelegten Studien weiterhin bestätigen, könnte die Empfehlung für eine erhöhte Aufnahme von Protein zusammen mit einer gesunden fettarmen Ernährung als Teil einer effektiven Fettleber-Therapie Einzug in die medizinische Praxis finden“, sagt Andreas Pfeiffer, Leiter der Arbeitsgruppe Klinische Ernährung/DZD am DIfE.

Molekulare Fettaufnahme-Mechanismen

Die ForscherInnen gehen davon aus, dass der positive Effekt der proteinreichen Diät hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, dass die Fettaufnahme, -speicherung und -synthese unterdrückt wird. In Genanalysen der Leberproben, die Professor Stephan Herzig mit seinem Team am Helmholtz Zentrum München durchgeführt hat, waren zahlreiche Gene, die in der Leber für die Aufnahme, Speicherung und Synthese von Fett verantwortlich sind, unter der proteinreichen Ernährung weniger aktiv als bei proteinarmen Kost.

Unerwartete Ergebnisse und Klärungsbedarf

Ergänzend untersuchte die Forschungsgruppe von Olga Ramich zusammen mit der Abteilung Physiologie des Energiestoffwechsels am DIfE auch die Funktionen der Mitochondrien.
„Die Aktivität der Mitochondrien war in beiden Gruppen sehr ähnlich. Das hat uns überrascht. Wir sind ursprünglich davon ausgegangen, dass die Mitochondrien-Aktivität durch die proteinreiche Diät erhöht wird und so zum Abbau des Leberfetts beiträgt“,
erklärt Abteilungsleiterin Professor Susanne Klaus. Unerwartet war für die Forschenden auch, dass der Blutspiegel des Botenstoffs Fibroblast Growth Factor 21 (FGF21) nach der leberfettreduzierenden proteinreichen Ernährung niedriger als nach der eiweißarmen war.
„FGF21 ist dafür bekannt, günstige Effekte auf die Stoffwechselregulation zu haben. Warum der Faktor bei der eigentlich positiv wirkenden proteinreichen Kost herabgesetzt war, müssen weitere Untersuchungen zeigen“,
erklärt Ramich. Auch die Aktivität der Autophagie war im Lebergewebe nach der proteinreichen Kost niedriger im Vergleich zur proteimarmen.
„Die fettabbauende Lipophagie scheint als besondere Form der Autophagie demnach nicht am Abbau des Leberfetts bei der proteinreichen Ernährung beteiligt zu sein.“

Im Interview mit der ERNÄHRUNGS UMSCHAU erläutert PD Dr. Olga Ramich mögliche Implikationen der Studienergebnisse:

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