Nachschlag: Warum ist die Banane dumm?

Eigentlich ist die Banane eine praktische Sache: Es gibt sie Einzeln oder im 2- bis 6(und mehr)-Pack. Die einzelne Frucht ist eine handliche Portion mit (sofern Bio) kompostierbarer Verpackung, die sich ohne Werkzeug öffnen lässt und (Stichwort Smart Packaging) sogar in gewissen Grenzen das Verfallsdatum durch Farbumschlag anzeigt. Dass die – achtlos weggeworfene – Verpackung zu Unfällen führen kann, soll hier unberücksichtigt bleiben. Und auch, wenn sie herzliches Drücken durch grobmotorische Kinderhände nicht so mag – knautschfester als Erdbeeren ist sie allemal.

OK, die Banane ist alles andere als regional, auch nicht immer fair gehandelt, doch das hat sie mit Weintrauben aus Südafrika, Kiwi aus Neuseeland oder Paprika aus Südspanien gemeinsam. Aber es kommt schlimmer: Im Rahmen des „zuckerfreien Vormittags“ hat sich die krumme Südfrucht in schlimme Gesellschaft begeben: Trockenfrüchte wie Rosinen, getrocknete Obstchips oder gar – oh Graus: Quetschies.1

Die argumentative Begründung für den schwarzen Listenplatz oszilliert zwischen dem der gelben Frucht inhärenten Zuckergehalt samt klebriger Lebensmittelmatrix und der Aussage „die wird nicht gekaut“ und unterfordere so die zum Spracherwerb trainingsbedürftige Gesichtsmotorik.2

Mir stellt sich die Frage, ob die generelle Verbannung der Banane aus den vormittäglichen Frühstücksplänen wirklich zielführend ist oder ob mit dem Bananen-Bann das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird: Da trifft die aus kariespräventiver Sicht möglicherweise richtige Idee von 5-Stunden zuckerfreier Remineralisationszeit3 (vorausgesetzt, nach dem ersten Tagesfrühstück werden wirklich die Zähne geputzt!) auf die Bemühungen, die wenig hilfreiche Unterteilung von Essbarem in „gute“ und „schlechte“ Lebensmittel zu unterlassen: Wenn Kinder bereits in der Kita erfahren, dass Banane „bäh“ ist (aber nur vormittags, nicht nachmittags, alles klar?), wann werden sie das Obst später rehabilitieren? Fälle von Pausendosen-Bashing sollen schon vorgekommen sein, und wir wissen, wie lange früh erworbene Verhaltensmuster (positive und negative) nachhallen.4

Bleibt die Hoffnung, dass der zuckerfreie Vormittag in allen Einrichtungen mit der nötigen Umsicht kommuniziert und mit Nachsicht als „Lösung für den stressfreien Genuss von Süßem“1 praktiziert wird, wenn ein Elternteil unter Zeitdruck doch mal eine Banane einpackte, anstatt Melonen zu schnippeln oder Pflaumen zu entsteinen.

Nehmen Sie´s mir nicht krumm,

Ihr Udo Maid-Kohnert

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1 Der Zuckerfreie Vormittag: Infoblatt 053 Schule Arbeitskreis Jugendzahnpflege. Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege in Hessen (LAGH) 01/2020. ⇒ Mehr zu den durchaus sinnvollen und wichtigen Initiativen zur Kariesprävention lesen Sie ab Seite M313 in diesem Heft.
2 www.hna.de/kassel/zuckerfreier-vormittag-kasseler-kitas-bananen-index-5933379.html 
3 Die die 11 Stunden (!) der zuckerfreien Nachtruhe ergänzen soll.
4 „Bereits in Krippe und Kita praktiziert, entwickelt er sich zu einem Ritual und wird – in der Schule fortgesetzt – selbstverständlich“ zitiert nach 1.



Diesen Artikel finden Sie wie auch die Vorschau auf die nächste Ausgabe in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 6/2021 auf Seite M368.

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