© Stadtratte/iStock/Getty Images Plus

Online News: Mehr Schein als Sein: Nahrungsergänzungsmittel „made in Germany“

  • 08.04.2024
  • News
  • Redaktion

Der Markt mit Nahrungsergänzungsmitteln wächst stetig. Anders als Arzneimittel unterliegen Nahrungsergänzungsmittel keiner Zulassungspflicht und werden somit vor dem Inverkehrbringen nicht behördlich auf Sicherheit und Qualität geprüft. Ein Marktcheck der Verbraucherzentrale NRW zeigt, dass bei dem Großteil der Produkte, die mit „hergestellt in Deutschland“ werben, genauere Herkunftsangaben fehlen.

Gemäß den Zahlen des Statistischen Bundesamts kaufen 75 % der deutschen Bevölkerung mind. einmal pro Jahr Nahrungsergänzungsmittel. Da Verbraucher*innen immer wieder vor unseriösen oder gepanschten Nahrungsergänzungsmitteln im Internet gewarnt werden, vertrauen viele Menschen der Angabe „Hergestellt in Deutschland“. Mit der deutschen Flagge auf der Packung wird oftmals Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit assoziiert. Daher werben viele Hersteller mit „made in Germany“, einer für viele Verbraucher*innen vertrauenerweckenden Werbeaussage.

Im Marktcheck mit 75 Produkten hat die Verbraucherzentrale NRW aufgedeckt, dass auch auf diese Angabe kein Verlass ist. Alle untersuchten Produkte warben im Internet und/oder auf der Verpackung per Flagge oder ausformuliert mit „made in Germany“ bzw. „Hergestellt in Deutschland“. Der Großteil der Produkte gaukelte jedoch eine deutsche Herkunft womöglich nur vor: 75 % der untersuchten Produkte, die damit werben, machen keine Herkunftsangaben zu den Zutaten. Die Herkunft der Inhaltsstoffe bleibt unklar. Eine Herkunftsangabe ist für Nahrungsergänzungsmittel grundsätzlich auch nicht vorgeschrieben. Rechtlich gilt aber, wenn eine Herkunftsangabe gemacht wird, darf sie die Verbraucher*innen nicht irreführen. 75 % der untersuchten Produkte gaben jedoch nicht an, woher die wichtigsten Zutaten („Primärzutaten“), also die Vitamine, Mineralstoffe oder auch Pflanzenstoffe stammen. Wenn aber ein Herkunftsland angegeben wird, müssen auch die Primärzutaten aus diesem Land stammen oder es muss erkennbar sein, woher sie in tatsächlich kommen. „Irreführende Herkunftsangaben vermitteln ein falsches Gefühl von Sicherheit, von Umweltschutz- und Arbeitsbedingungen sowie ein oft falsches Bild von Regionalität und kurzen Wegen, die vielen Menschen immer wichtiger werden“, kritisiert Angela Clausen, Teamleiterin Lebensmittel im Gesundheitsmarkt bei der Verbraucherzentrale NRW.

Doch was heißt eine deutsche Herkunft eigentlich genau? Stammen die Zutaten aus Deutschland? Wurden sie hier vermischt? Oder bloß abgepackt? Die wenigsten Vitamine, Mineralstoffe und Pflanzenzutaten werden in Deutschland produziert. Die Inhaltsstoffe stammen meist aus asiatischen Laboren. „Ein ,natürliches Vitamin C aus Acerola‘ bspw. kann unmöglich aus Deutschland stammen, da hier keine Acerola-Kirschen angebaut werden“, so Clausen. Auch Aussagen wie „Laborgeprüft in Deutschland“ sagen nichts darüber aus, wo die Zutaten herkommen, erklärt Clausen. Aktuell beanstande die Lebensmittelüberwachung je nach Bundesland bis zu 74 % der kontrollierten Nahrungsergänzungsmittel. Beim Einkauf von Supplementen, die mit dem Hinweis auf deutsche Produktion werben, sollten Verbraucher*innen darauf achten, dass idealerweise in der Zutatenliste hinter den wichtigsten Zutaten das jeweilige Herkunftsland steht. Als Primärzutaten gelten die Stoffe, die das Produkt ausmachen und meist in der Beschreibung genannt sind, etwa Vitamine, Mineralstoffe, Pflanzenstoffe, Öle, Aminosäuren oder sonstige Stoffe wie Carnitin, Kreatin. Nicht vorgeschrieben ist ein Hinweis für die Herkunft bspw. von Füllmitteln, Laktose, Aromen, Zusatzstoffen oder Kapselhüllen. Wer es ganz genau wissen will, kommt im Zweifel nicht darum herum, beim Hersteller nachzufragen.

Die Verbraucherzentrale NRW fordert mehr Transparenz und eine bessere Kennzeichnung von Supplementen. Auch die Unterschiede zwischen dem Internetangebot und der Verpackung sind zu bemängeln. „Für eine mündige Kaufentscheidung müssen Verbraucher*innen direkt am Einkaufsort, also auch im Online-Shop, leicht nachvollziehen können, woher die wesentlichen Zutaten tatsächlich stammen, wenn mit deutscher Produktion geworben wird. Es reicht nicht aus, wenn man sich dafür durch diverse Internetseiten klicken muss.“ Zudem sollten sich Herkunftsangaben auf der Internetseite bzw. im Onlineshop auch auf der Verpackung wiederfinden.


Quelle: Verbraucherzentrale NRW, Pressemeldung vom 03.04.2024

Das könnte Sie interessieren
Ernährungspolitik weiter
Pflanzliche Speisefette und –öle. Teil 4: Palmöl weiter
Die Rolle der Ernährungstherapie in der Behandlung von Essstörungen weiter
Alternative Ernährungsformen weiter
MEDPass oder herkömmliche Verabreichung von oraler Nahrungssupplementation weiter
Diagnose-Tool für Schluckstörungen bei älteren Patient*innen: Vergleichsstudie belegt hohe... weiter