Leserbrief (Auszug) zum Beitrag: Kinder erleben die Schlachtung eines Nutztieres

  • 13.08.2025
  • Print-News
  • Friedrich Schöne
  • Lotte Rose
  • Martina Überall
  • Theres Rathmanner

in Ernährungs Umschau 5/2025, S. M294–M302

Dieses Projekt des österreichischen „Forschungsinstitutes für biologischen Landbau“ ist beeindruckend, wird doch die Grenzüberschreitung, die ein Töten von Tieren zur Gewinnung des Lebensmittels Fleisch unzweifelhaft darstellt, nicht nur thematisiert, sondern in das Alltagsleben in der Regel städtischer Familien hineingetragen. […] Nachfolgende Bemerkungen speisen sich aus lebenslangen Erlebnissen und eigenen Erfahrungen mit Nutztieren, eigeschlossen die Schlachtungen mit späterer Forschungs- und Lehrtätigkeit in diesem Feld.

Im Zusammenhang mit der korrekten Schilderung des Betäubens und Tötens des Schweines und den notwendigen Begleitvorgängen wie Blut-Auffangen oder Entborsten beeindruckt die Präsenz der beteiligten 11 Familien mit den Psychologinnen – alle „Hinter dem Zaun“. Hier bleibt es jedem dieser indirekt Beteiligten selbst überlassen, ob zugeschaut wird, durch die Zaunlücken, oder ob man sich dem Anblick verweigert. Jedoch erscheint das Alter der Kinder im Bereich 7–10 Jahre recht niedrig: In Erinnerung an die eigene Kindheit auf einem Bauernhof mit Schwerpunkt Viehwirtschaft hielt die Mutter, Lehrerin an der Dorfschule und Kantorin, uns drei Kinder beim „Schlachtfest“, so hießen und heißen in Mitteldeutschland die in der Regel einmal jährlich erfolgenden Schweineschlachtungen, vom Akt des Tötens des Tieres strikt fern und zwar bis zum Alter von 11–12 Jahren. […]
Kritischer als der vom Frischebonus wegführende Begriff wiegt jedoch in dem Artikel das Überbetonen der Widersprüche Klein = Metzger gegenüber Groß = Schlacht- und Zerlege-Betrieb. Aus diesen Großbetrieben bezieht die Mehrheit der Fleischer (mitteldeutsch für Metzger) morgens an mindestens drei Arbeitstagen pro Woche Schweinehälften, -viertel oder entsprechend den Kundenwünschen spezielle Zuschnitte. […] Eine weitere Wechselwirkung zwischen Handwerks- und Großbetrieben, in dem Projektbericht völlig ignoriert, ist der Austausch im Personalbestand. Zum einen gehen viele sehr gute Wurstmacher-Gesellen, die bei den Kleinen für eine Betriebsnachfolge „übrig“ sind, in die Verarbeitung. Zum anderen finden auch wieder versierte Fachkräfte aus der Industrie ins Handwerk zurück.
Im Anschluss an meine Jenaer Vorlesungen wurden interessierten Studierenden der Ernährungswissenschaften, die Mehrheit weiblich, Besichtigungen des Jenaer Schlachthofs angeboten […]. Es ist durchaus legitim und mutmaßlich ein Akt des Selbstschutzes, während des gesamten Lebens sich dem Anblick des Tötens von Tieren zu verweigern und das auch als gestandener Mischköstler.

Den vollständigen Leserbrief finden Sie online unter
www.ernaehrungs-umschau.de/onlineplus/ 



Prof. Dr. agr. habil. Friedrich Schöne

Universität Jena




Antwort der Autorinnen zum Leserbrief

Der Leserbrief von Friedrich Schöne bestätigt uns einmal mehr, dass es noch viel Diskursbedarf gibt zur Frage, ob und wie eine omnivore Gesellschaft ihren Mitgliedern enttabuisierende Erfahrungsräume zur Nutztiertötung zugänglich machen soll und kann, welcher Rahmen dafür gut ist und ob dies auch Kinder einschließen soll. Unsere Projektdarstellung hat diese Frage in Angriff genommen, aber keineswegs erschöpfend beantwortet. So zeigt der Leserbrief, wo Weiterdenken nötig ist. Dies gilt für die Frage von Altersgrenzen für entsprechende Angebote, was viel aussagt über unsere heutigen Vorstellungen vom Kindsein. Dies gilt aber auch für die Frage des „richtigen“ Schlachtorts. Anregend ist hier zweifellos die Schilderung des Kollegen von seinen Exkursionen mit Studierenden zu einem industriellen Schlachthof. Dass unser eigenes Projekt im Rahmen einer „imitierten“ bäuerlichen Hausschlachtung stattfand, fußte auf der Idee, dass es sich hierbei um einen Kulturraum handelt, der schon immer Kinder integriert hat, wie ja auch der Schreiber biografisch bestätigt. Unabhängig davon, dass das entsprechende Personal seine Schlachtarbeit an beiden Orten machen kann, sind Schlachthof und Hausschlachtung doch zwei fundamental unterschiedlich gerahmte Sozialräume, was uns für entsprechende Angebotsentwicklungen weiterhin relevant erscheint – und eigentlich auch die Frage aufwirft, wie denn die Menschen (überwiegend Männer) ihre Arbeit in den Schlachthöfen gut bewältigen können.



Prof. Dr. Lotte Rose
Professur für Pädagogik der Kinder- und Jugendarbeit, Frankfurt am Main

Ph. D. Martina Überall
Pädagogische Hochschule Tirol

Dr. Theres Rathmanner
Schule des Essens



Diese Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 8/2025 auf Seite M461.

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