Leserbrief zum Basiswissen „Der Verdauungstrakt. Teil 7: Dickdarm“

  • 13.11.2019
  • Print-News
  • Alexandra Schek
  • Sigrid Hahn
  • Melanie Ferschke
  • Maike Groeneveld

Vitamin K

Im Beitrag in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 7/2019 „Der Verdauungstrakt: Dickdarm“ von Hahn et al. [1] steht: „Für die Versorgung mit Vitamin K scheint der Dickdarm aber eine wichtige Rolle zu spielen“ (S. M429). Die zitierte Literaturstelle, Kiela und Ghishan (2016) [2], besagt: Die Resorption von Vitamin K erfolgt im Ileum „through the lipid pathway“ (S. 154). Das heißt, Vitamin K wird in Anwesenheit von Gallensäuren und Pankreasenzymen in Mizellen eingelagert, die der distale Dünndarm aufnimmt ([2], S. 151).

Im Unterschied zu den anderen von Hahn et al. beschriebenen kleineren, wasserlöslichen Substanzen, deren Resorption im Dickdarm erfolgt, handelt es sich bei den überwiegend von Bacteroides im Kolon synthetisierten Menachinonen MK-10 und MK-11 um langkettige, fettlösliche Moleküle (vgl. [3]). Da die Mizellenbildung im Kolon nicht möglich ist, dürfte der Beitrag der Darmmikrobiota zur Versorgung mit Vitamin K von geringer Bedeutung sein – es sei denn, es gäbe spezielle Transporter. Da eine Restriktion der Vitamin-K-Zufuhr bereits nach wenigen Wochen zu einer Entleerung der Leberspeicher und Mangelsymptomen führt (ebd., S. 172), ist das wenig wahrscheinlich. Daher kann nicht als gesichert gelten, dass die absorptiven Enterozyten des Dickdarmepithels neben Wasser und Elektrolyten u. a. auch Vitamin K resorbieren, wie Tabelle 1 in „Basiswissen Dickdarm“ (S. M426) vermuten lässt.

Zu Art und Höhe einer potenziellen Vitamin- K-Absorption im Kolon besteht weiterer Forschungsbedarf.

Dr. Alexandra Schek
Kleine Mühlgasse 2
35390 Gießen
kontakt@praxis-schek.de 

Literatur

  1. Hahn S, Ferschke M, Groeneveld M (2019) Der Verdauungstrakt. Teil 7: Dickdarm – Anatomie, Physiologie und Mikrobiota. Ernährungs Umschau 66(7): M425–M431
  2. Kiela PR, Ghishan FK (2016) Physiology of intestinal absorption and secretion. Best Pract Res Clin Gastroenterol 30: 145–159
  3. Schek A (2017) Vitamin K – an update. Part one: basic nutritional facts. Ernahrungs Umschau 64(11): 166–173.e38–e43


Antwort der Autorinnen

Vielen Dank für Ihre Anmerkungen zu unserem Beitrag „Der Verdauungstrakt: Dickdarm“.
Sie haben Recht, dass Vitamin K als fettlösliches Vitamin der Fettverdauung unterliegt und damit potenziell auf Gallensäuren für die Resorption angewiesen ist. Dennoch wird schon seit vielen Jahren die Resorption von Vitamin K im Dickdarm in Betracht gezogen. Grundlage hierfür waren Untersuchungen an Probanden, die sich über fünf Wochen Vitamin-K-frei ernährten. Bei diesen Personen trat kein Vitamin-K-Mangel auf. Erhielten die Probanden jedoch gleichzeitig Antibiotika, war bereits nach 3–4 Wochen ein Vitamin-K-Mangel feststellbar [1].

Auch neuere Studien von Cupisti et al. (2017) [2] lassen vermuten, dass die Darmmikrobiota einen Beitrag zur Bedarfsdeckung leistet, auch wenn für die genauen Mechanismen noch weitere Studien erforderlich sind. Castillo- Rodriguez et al. (2018) [3] weisen bei Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen auf die Wirkung von Vitamin K aus der mikrobiellen Synthese des Gastrointestinaltraktes hin. Wagatsuma et al. (2019) [4] vermuten ebenfalls einen Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom und dem Vitamin-K-Status. Sie untersuchten dies im Zusammenhang mit Morbus Crohn und konnten zeigen, dass die Gruppe mit geringerer Darmmikrobiom- Diversität ein Vitamin-K-Defizit hatte. Und auch Aydin (2017) diskutiert die Bedeutung von Vitamin K aus dem Mikrobiom im Zusammenhang mit venösen Thrombosen. In dieser Studie konnte für 15 % des Plasma-Vitamin K eine Verbindung mit der Darmflora hergestellt werden [5].

Insofern ist es sicherlich von Bedeutung, die weitere Forschung genau zu beobachten, nicht zuletzt auch aufgrund der nach wie vor schwierigen Situation in Bezug auf die Analytik dieses Vitamins und des Darmmikrobioms. Vor diesem Hintergrund hätten wir uns vielleicht in unserem Beitrag bezüglich der Bedeutung des Darmmikrobioms für die Vitamin- K-Versorgung etwas vorsichtiger ausdrücken sollen. Sicherlich werden weitere Studien in den nächsten Jahren hierzu weitere Erkenntnisse bringen, die dann auch mögliche Resorptionsmechanismen aufzeigen.

Prof. Dr. Sigrid Hahn1
Dr. rer. nat. Melanie Ferschke2
Dr. oec. troph. Maike Groeneveld3
1 Hochschule Fulda Professur für Diätetik
Leipziger Str. 123, 36037 Fulda 
Sigrid.Hahn@oe.hs.fulda.de 
2 Klinikum Frankfurt Hoechst
Ernährungsteam/Apotheke
Gotenstr. 6–8, 65929 Frankfurt am Main
3 Praxis für Ernährungsberatung
Kaiserstr. 99, 53113 Bonn

Literatur

  1. Kasper H. Ernährungsmedizin und Diätetik. 10. Aufl., Urban & Fischer, München (2004)
  2. Cupisti A, D’Alessandro C, Gesualdo L et al. (2017) Non-traditional aspects of renal diets: focus on fiber, alkali and vitamin K1 intake. Nutrients 9: 444
  3. Castillo-Rodriguez E, Fernando-Pradez R, Esteras R et al. (2018) Impact of altered intestinal microbiota on chronic kidney disease progression. Toxins 10: 300
  4. Wagatsuma K, Yamada S, Misora A et al. (2019) Diversity of gut microbiota affecting serum level of undercarboxylated osteocalcin in patients with Crohn’s Disease. Nutrients 11: 1541
  5. Aydin S (2017) Can vitamin K synthesis altered by dysbiosis of microbiota be blamed in the etiopathogenesis of venous thrombosis? Biosci Microbiota Food Health 36: 73–74


Diesen Leserbrief finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 11/2019 auf Seite M640.

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