Junge Forschung: Fat People Memes

  • 15.05.2023
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  • Cathleen Bunzel
  • Katja Kröller
  • Claudia Meißner

Ein Ausdrucksmittel von Diskriminierung gegenüber mehrgewichtigen Personen oder ein humoristisches Stilmittel digitaler Kommunikation – Eine Fall-Kontroll-Studie

Hintergrund
Die Verwendung von Internet-Memes als Form der Kommunikation hat in den letzten Jahren zugenommen [1–3]. Da Memes die Meinungsbildung beeinflussen können [4–8], ist es wichtig, die Auswirkungen auf die Gesellschaft zu verstehen. Unter dem Gesichtspunkt der fortschreitenden Digitalisierung [9, 10] und der gesellschaftlich akzeptierten Diskriminierung mehrgewichtiger Menschen [11–15] eruiert die vorliegende Untersuchung einen Zusammenhang des Einflusses von Internet-Memes mit gewichtsstigmatisierenden Inhalten (Fat People Memes) und der Akzeptanz gegenüber mehrgewichtigen Personen.

Methodik
Während der einmonatigen online-fragebogenbasierten Fall-Kontroll-Studie konnte eine Gesamtstichprobe von 147 Proband*innen (Mittelwert [MW] Alter: 29 Jahre; Min. 25, Max. 35 Jahre) generiert werden. Die Gruppeneinteilung erfolgte retrospektiv auf Grundlage des ins Deutsche übersetzten, validierten Antifat Attitudes Questionnaire (AFA) nach Crandall [16]. Die Einteilung basiert auf dem daraus errechneten AFA-Score (13–117, höhere Werte deuten auf eine geringere Akzeptanz hin). Teilnehmende mit geringerer Akzeptanz gegenüber mehrgewichtigen Personen wurden der Fallgruppe zugeteilt (AFA-Score ≥ 55; n = 58; MW Alter: 28 Jahre; weiblich: 67,2 %). Teilnehmende mit höherer Akzeptanz gegenüber mehrgewichtigen Personen wurden der Kontrollgruppe zugeteilt (AFA-Score < 55; n = 89; MW Alter: 29 Jahre; weiblich: 71,9 %).
Primär wurde die subjektive Unterhaltung bei Betrachtung und anschließend die hypothetische Verbreitung der Fat People Memes untersucht. Dazu erfolgte eine Beurteilung von zwölf vorgegebenen Memes mit gewichtsstigmatisierenden Inhalten (jeweils Likertskala 0–9). Weiterhin widmete sich ein Fragenkomplex der Beurteilung empfundener Emotionen bei Betrachtung acht verschiedener Fat People Memes. Diesbezüglich wurden die Teilnehmenden aufgefordert, jedes der gezeigten Memes anhand der sieben Grundemotionen (Wut, Angst, Ekel, Freude, Scham, Traurigkeit) intuitiv zu bewerten.

Ergebnisse
Teilnehmende mit einer geringeren Akzeptanz gegenüber Personen mit Mehrgewicht beurteilten die gezeigten Fat People Memes signifikant häufiger als stärker unterhaltsam (Likertskala ≥ 4) als Teilnehmende mit einer höheren Akzeptanz gegenüber mehrgewichtigen Personen (77,6 % vs. 59,6 %; p = 0,023).
Es konnten keine signifikanten Gruppenunterschiede bezüglich der hypothetischen Verbreitung der gewichtsstigmatisierenden Memes festgestellt werden (36,2 % vs. 27,0 %; p = 0,235). Konkreter konnte nur eine geringe Tendenz in Form einer Chancengleichheit (Odds Ratio = 1,5) sowie eines möglichen Risikofaktors (RR [hypothetische Verbreitung > 4] = 1,3) zwischen einer geringeren Akzeptanz gegenüber mehrgewichtigen Personen und dem vermehrten (hypothetischen) Verbreiten gewichtsstigmatisierender Memes nachgewiesen werden.
Des Weiteren empfanden die Studienteilnehmer*innen mit einer geringeren Akzeptanz gegenüber mehrgewichtigen Personen die Emotionen Ekel (p = 0,004), Scham (p = 0,001) und Überraschung (p = 0,044) signifikant intensiver, als die TeilnehmerInnen mit einer höheren Akzeptanz gegenüber Personen mit Mehrgewicht.

Diskussion
Memes werden häufiger geteilt, sofern sie einen unterhaltenden Effekt auf die Betrachter*innen ausüben [1–3]. In der vorliegenden Untersuchung konnten keine nennenswerten Gruppenunterschiede bei der hypothetischen Verteilung von Fat People Memes festgestellt werden, obwohl sich deutliche Kontraste in Bezug auf ihre unterhaltende Wirkung zeigten. Dies könnte durch das mit der Frage verbundene abstrakte Denken erklärt werden, das den Kontext einer Online-Konversation erfordert, um sich das Teilen der gezeigten Memes vorzustellen. Die Literatur [4] bestätigt dies dahingehend, dass sich Personen bewusst Zeit nehmen, um das passende Meme zu finden. Ausgangspunkt ist ein übereinstimmender Wertekanon über die vorherrschende Umgebungswelt [5].
Eine bewusste Abneigung bis hin zu hassmotiviertem Verhalten (Antifat Attidudes) gegenüber mehrgewichtigen Menschen [14] und der Assoziation mit Emotionen wie Ekel, Wut und Verachtung [15] bestätigen das Ergebnis der vorliegenden Studie bezüglich einer stärkeren Emotionsintensität bei Betrachtung verschiedener Fat People Memes unter Teilnehmenden mit geringerer Akzeptanz gegenüber mehrgewichtigen Personen („Ekel“, „Scham“, „Überraschung“).
Da es sich um die erste Studie dieser Art handelt, ist eine Auseinandersetzung mit der vorhandenen Literatur nur bedingt möglich. Es kann jedoch auf verschiedene Referenzkontexte zurückgegriffen werden, die beschreiben, dass Meinungsbildung allein durch die Betrachtung von Memes erfolgen kann [6–8]. Diese Studien basieren auf Beispielen aus dem gesellschaftspolitischen Bereich, vermitteln aber einen ersten Eindruck, welchen Einfluss die Meme-Kultur auf die Meinungsbildung der Betrachter*innen haben kann. Unterstützend wirkt, dass es sich bei Fettfeindlichkeit um eine allgegenwärtige, gesellschaftlich akzeptierte Diskriminierungsform handelt [11, 12], die frei zum Ausdruck gebracht werden kann [13].

Schlussfolgerung
Während der Ernährungstherapie von mehrgewichtigen Personen ist eine ständige Reflektion der eigenen therapeutischen Qualitäten unter antistigmatisierendem Hintergrund unabdingbar. Dabei ist ein respektvoll sensibler Umgang und ein Hinterfragen der Erlebenswelt essenziell.



Interessenkonflikt

Die Autorinnen erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.


 



M. Sc. Cathleen Bunzel
Prof. Dr. Katja Kröller
Dr. Claudia Meißner

Masterstudiengang Ernährungstherapie
Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwicklung
Hochschule Anhalt, Campus Bernburg



Literatur

  1. Jenkins H, Ford S, Green J: Spreadable media: creating value and meaning in a networked culture. New York: New York University Press 2018.
  2. Karlsson A: The rise and demise of a meme: a study on what a meme is and why people are spreading them. Umeå University, SPM 2019: 15.
  3. Milner RM: Pop polyvocality: internet memes, public participation, and the occupy wall street movement. Int J Commun 2013; 7: 2357–90.
  4. Miltner K: Srsly phenomenal: an investigation into the appeal of LOLcats. Dissertation. London School of Economics 2011.
  5. Berger PL: Erlösendes Lachen. Das Komische in der menschlichen Erfahrung. Berlin/New York: De Gruyter 1998.
  6. Shifman L: Meme – Kunst, Kultur und Politik im digitalen Zeitalter. Berlin: Suhrkamp 2014: 343.
  7. Huntington HE: The affect and effect of internet memes assessing perceptions and influence of online user-generated political discourse as media. Dissertation. Colorado State University 2017.
  8. Williamson LEA, Sangster SL, Lawson KL: “Hey girl…”: The effect of Ryan Gosling feminist memes on feminist identification and endorsement of feminist beliefs. Poster presented at the annual meeting of the Canadian Psychological Association. Vancouver, B.C., Canada: 2014.
  9. Wanniarachchi VU, Mathrani A, Susnjak T, Scogings C: A systematic literature review: What is the current stance towards weight stigmatization in social media platforms? Int J Hum-Comput Stud 2020; 135: 102371.
  10. Stanford FC, Tauqeer Z, Kyle TK: Media and its influence on obesity. Curr Obes Rep 2018; 7: 186–92.
  11. Puhl RM, Heuer CA: Obesity stigma. Important considerations for public health. Am J Public Health 2010; 100(6): 1019–28.
  12. Luck-Sikorski C: Stigmatisierung und internalisiertes Stigma. Interventionsmöglichkeiten. In: Rose L, Schorb F: Fat Studies in Deutschland. Hohes Körpergewicht zwischen Diskriminierung und Anerkennung. Weinheim Basel: Beltz Verlag 2017: 86–7.
  13. Pantenburg B, Sikorski C, Luppa M, et al.: Medical students’ attitudes towards overweight and obesity. PloS one 2012; 7(11): e48113.
  14. Zinterl C: Mehrgewichtigkeit zwischen westlicher Gegenwartsgesellschaft und Popkultur am Beispiel des Jugendromans „Dumplin“. Dissertation. Universität Wien 2020.
  15. Vartanian LR, Thomas MA, Vanman EJ: Disgust, contempt, and anger and the stereotypes of obese people. Eat Weight Disord 2013; 18: 377–82.
  16. Crandall CS: Prejudice against fat people: Ideology and self-interest. J Pers Soc Psychol 1994; 66(5): 882–94 (last accessed on 20 March 2023).

 



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 5/2023 auf den Seiten M278 bis M279.

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