Darmmikrobiom: Die Vorlieben der Darmbakterien

Das Darmmikrobiom spielt eine wichtige Rolle für die Gesundheit. Die komplexe und dynamische Gemeinschaft von Mikroorganismen wird durch zahlreiche chemische Wechselwirkungen gesteuert – sowohl unter den Mikroorganismen als auch mit dem Wirt. Welche Nährstoffe und Signalmoleküle die Darmbakterien wahrnehmen können, ist dabei von entscheidender Bedeutung.

Ein internationales Forscher*innenteam vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Kooperation mit Forschenden der Ohio University und der Philipps-Universität Marburg hat sich nun mit der Frage befasst, wie Mikroorganismen in unserem Darm ihre Umgebung wahrnehmen. Unter der Leitung von Prof. Dr. Victor Sourjik untersuchte das Team, welche chemischen Signale Darmmikroben erkennen und welche sie bevorzugen [1]. Die Forschenden konnten nachweisen, dass nützliche Darmbakterien verschiedene chemische Reize in ihrer Umgebung wahrnehmen und darauf reagieren. Dabei konzentrierten sie sich auf Clostridien. Diese beweglichen Bakterien kommen besonders zahlreich in der Darmflora vor und spielen eine bedeutende Rolle für die Aufrechterhaltung der Darmgesundheit. Es zeigte sich, dass ihre Rezeptoren ein überraschend breites Spektrum an Stoffwechselprodukten erkennen. Dazu zählen Abbauprodukte von Kohlenhydraten, Fetten, Proteinen, DNA und Aminen. Systematische Untersuchungen ergaben, dass es je nach Art der bakteriellen Sensoren klare Präferenzen für bestimmte Klassen von Chemikalien gibt.
Mit einer Kombination aus experimentellen und bioinformatischen Methoden identifizierten die Forschenden mehrere spezifische Bindungspartner für Sinnesrezeptoren, die die bakterielle Fortbewegung steuern. Sie stellten fest, dass diese Sensoren nährstoffreiche Stoffe erkennen, was darauf hindeutet, dass die Suche nach Nährstoffquellen die Hauptfunktion der Beweglichkeit dieser Bakterien ist. Die Ergebnisse zeigten, dass Milchsäure (Lactat) und Ameisensäure (Formiat) die häufigsten Bindungspartner sind und somit als besonders wichtige Nährstoffe für das Bakterienwachstum im Darm fungieren könnten. Die Tatsache, dass auch einige Darmbakterien selbst diese Verbindungen produzieren, unterstreicht die Bedeutung des „Cross Feedings” für das Darmmikrobiom, ein Prozess, bei dem Bakterien Stoffe freisetzen, die andere Arten ernähren. „Diese Sensoren scheinen für die Interaktionen zwischen den Bakterien im Darm wichtig zu sein und könnten eine Schlüsselrolle für ein gesundes menschliches Mikrobiom spielen”, erklärt Dr. Wenhao Xu, Postdoktorandin in der Forschungsgruppe von Victor Sourjik und Erstautorin der Studie.
Die Forschenden entdeckten durch die systematische Untersuchung der Besonderheiten von Sensoren mehrere bisher unbekannte Gruppen von Sensordomänen, die spezifisch für Lactat, Dicarbonsäuren, Uracil (ein RNA-Baustein) und kurzkettige Fettsäuren sind. Zudem konnten sie die Kristallstruktur eines neuartigen Doppelsensors für Uracil und Acetat mitsamt seinen Bindungspartnern aufklären und somit seinen Bindungsmechanismus entschlüsseln.
Dieser Sensor gehört zu einer großen Gruppe mit vielfältigen Bindungsspezifitäten. Die Analyse der evolutionären Verwandtschaft zwischen Uracil-Sensoren und anderen Sensoren dieser Gruppe zeigte, wie leicht sich deren Spezialisierung auf bestimmte Bindungspartner im Laufe der Evolution verändert. Dies unterstreicht die Anpassungsfähigkeit der Rezeptoren an Veränderungen im Lebensraum der Bakterien.

Literatur

1. Xu W, Jalomo-Khayrova E, Gumerov VM, et al.: Specificities of chemosensory receptors in the human gut microbiota. PNAS 2025; 122(35): e2508950122

Quelle: Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Pressemeldung vom 27.08.2025



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 10/2025 auf Seite M588.

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