Mehrfachrückstände bei Pflanzenschutzmitteln - Einheitliches, europäisches Konzept für die gesundheitliche Bewertung

  • 05.09.2008
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  • Redaktion

Wird in oder auf einem Lebensmittel gleichzeitig mehr als ein Pflanzenschutzmittelwirkstoff nachgewiesen, spricht man von „Mehrfachrückständen“. Sie können entstehen, wenn Pflanzen mit mehreren Pflanzenschutzmitteln gegen verschiedene Schadorganismen behandelt werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der gesundheitlichen Bewertung solcher Mehrfachrückstände.

Tierexperimentelle Studien mit Mischungen verschiedener chemischer Stoffe haben gezeigt, dass toxische Effekte durch Kombinationswirkungen erst bei Dosierungen im Bereich oder oberhalb des NOAEL der Einzelsubstanzen nachweisbar sind. Als NOAEL (No Observed Adverse Effect Level) bezeichnet man die Menge einer Einzelsubstanz, die im Tierversuch keine schädliche Wirkung mehr zeigt. Wenn die Dosierungen der einzelnen Substanzen deutlich unterhalb des NOAEL liegen, ist nicht mit toxischen Effekten durch additive oder synergistische Wirkungen zu rechnen. In der Regel werden Höchstgehalte deshalb bislang für Einzelstoffe und nicht für Stoffgruppen abgeleitet.

Da die oben erwähnten tierexperimentellen Untersuchungen jedoch nur für eine vergleichsweise geringe Zahl von chemischen Stoffen und Mischungen durchgeführt werden konnten, ist es aus wissenschaftlicher Sicht erforderlich, Konzepte für eine zielgerichtete Prüf- und Bewertungsstrategie zu entwickeln, die sowohl die toxikologischen Eigenschaften als auch die aus der vorgesehenen Anwendung zu erwartenden Kombinationen der Wirkstoffe berücksichtigt. Das geschieht derzeit durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Ziel ist es, für die Bewertung des kumulativen Risikos von Pflanzenschutzmittelrückständen ein einheitliches Konzept für Europa zu erarbeiten.

Bislang basiert die Risikobewertung auf folgenden Grundlagen: Generell dürfen Rückstände von Pflanzenschutzmitteln die Gesundheit der Verbraucher nicht beeinträchtigen. Darum wird für alle Wirkstoffe bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und der Festsetzung von Höchstgehalten an Pestizidrückständen experimentell eine Dosis ermittelt, unterhalb derer keine toxische Wirkung mehr nachweisbar ist.

Rückstands-Höchstgehalte werden nur so hoch festgesetzt, wie es aufgrund der Rückstandssituation der Erntegüter bei guter landwirtschaftlicher Praxis erforderlich ist: Grundsätzlich werden sie nicht höher festgesetzt, als es die toxikologisch begründeten Grenzwerte (Acceptable Daily Intake, ADI) und die Akute Referenzdosis (Acute Reference Dose, ARfD) erlauben.

Aus diesem Grund liegen zwischen der zu erwartenden Rückstandsaufnahme der Verbraucher und den im Tierversuch ermittelten Dosen mit biologischer Wirkung in der Regel zwei- bis dreistellige Sicherheitsspannen. Damit ist es praktisch ausgeschlossen, dass additive oder synergistische Wirkungen von Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Verbraucher führen, wenn die zulässigen Höchstgehalte für die einzelnen Wirkstoffe nicht überschritten werden.

Dieses Bewertungskonzept hat weiterhin Gültigkeit, soll aber zukünftig ergänzt werden.
Drei Formen der kombinierten Toxizität von mehreren Wirkstoffen sind denkbar: Die Addition der einzelnen Dosen, die Addition der Wirkungen und die Wechselwirkung. Da besonders die Dosisaddition für die Risikobewertung von Bedeutung ist, hat das zuständige EFSA-Panel zunächst nur diese Wirkung berücksichtigt. Das Panel schlägt vor, die Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln in "kumulative Bewertungsgruppen" einzuordnen, die auf Merkmalen wie der chemischen Struktur des Wirkstoffes und dem Wirkmechanismus des Pflanzenschutzmittels basieren.

Derzeit wird diese Vorgehensweise erprobt. Die Ergebnisse sollen im Frühjahr 2009 veröffentlicht werden. Ausführliche Informationen zu diesem Thema sind auf der Website des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) unter www.bfr.bund.de/cd/240 zu finden. Quelle: BfR, Information Nr. 031/2008  (05.09.08)

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