Werkstatt für gestresste Proteine

  • 11.04.2002
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  • Redaktion

Geraten Proteine unter Stress, verlieren sie ihre Form und können ihre Aufgaben nicht mehr richtig wahrnehmen. Mit Hilfe von so genannten Hitzeschockproteinen, z. B. DegP, kann die ursprüngliche Form wieder hergestellt werden. Gelingt dies nicht, beseitigt DegP die beschädigten Proteine, bevor sie der Zelle gefährlich werden können. Wissenschaftlern vom Max-Plank-Institut für Biochemie, Martinsried, ist es jetzt gelungen, die dreidimensionale Struktur von DegP aufzuklären. Dieses Wissen hat auch Bedeutung für ein besseres Verständnis der zellulären Vorgänge bei neurodegenerativen Erkrankungen wie dem Creutzfeldt-Jakob-Syndrom oder der Alzheimerschen Krankheit.

Hitzeschockproteine lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Die Chaperone können entfaltete Proteine wieder in ihren funktionellen Zustand zurückführen. Ist dies nicht mehr möglich, wird eine zweite Gruppe von Hitzeschockproteinen aktiv, die so genannten Proteasen. Diese zerlegen die defekten Proteine in ihre molekularen Bruchstücke und machen sie auf diese Weise unschädlich. Anhand des Hitzeschockproteins DegP untersuchten die Martinsrieder Wissenschaftler den Reperatur-Beseitigungs-Mechanismus genauer. Dabei zeigte sich, dass DegP die gegensätzlichen Eigenschaften von Protease und Chaperon in sich vereinigt.

Die Struktur des DegP Moleküls besteht aus vier Komponenten: ein N-terminaler Haken, der vom Rest des Proteins absteht, eine Protease-Domäne und zwei PDZ-Domänen (typische Protein-Protein-Interaktionsmodule). Die DegP Moleküle lagern sich zu großen Komplexen zusammen, die eine Art molekularen Käfig bilden. Hier findet die Proteinspaltung statt. Der Komplex konnte im Proteinkristall in zwei Zuständen beobachtet werden: in einer geschlossenen und in einer offenen Form. Die Forscher vermuten, dass die PDZ-Domänen eine erste Anlaufstelle für die zu reparierenden Proteine sind. Dank ihrer Beweglichkeit arbeiten diese Domänen wie molekulare Tentakel, die gestresste Proteine einfangen und diese dem Innenraum des DegP‘s zuführen.

In der von den Wissenschaftlern im Kristall eingefrorenen Struktur konnte der Chaperon-Zustand beobachtet werden. Die Innenwände des DegP-Käfigs entsprechen flexiblen, hydrophoben Bindungsplattformen, die ähnlich wie Kondensatorplatten angeordnet sind. Der Abstand zwischen diesen Platten schränkt die Größe der gebundenen Substrate stark ein und verhindert, dass korrekt gefaltete Proteine in das DegP gelangen.

Laut Auskunft der Forscher handelt es sich bei dem Proteinkomplex DegP um ein völlig neuartiges Chaperone-Protease-System, das universell verbreitet ist. Von besonderem Interesse seien die menschlichen DegP (HtrA) Proteine, die sich ebenfalls um die Beseitigung gestresster Proteine kümmern. Diese Aufräumkommandos spielten bei einer Vielzahl neurodegenerativer Krankheiten, wie z. B. der Alzheimerschen Krankheit, eine entscheidende Rolle. Die bakterielle Proteinstruktur liefere Hinweise, wie diese Aufräumkommandos gesteuert werden, und eröffnet damit neue Ansätze, solche Krankheiten zu therapieren. Des Weiteren könne die 3D-Struktur auch als Schablone zum ´Designen´ bestimmter Pharmaka benutzt werden. Solche Pharmaka könnten gezielt die heilende oder verschrottende Funktion von DegP beeinflussen und so unkontrolliertem Proteinabbau oder -aggregation entgegenwirken. Weitere Informationen unter www.biochem.mpg.de/xray/11.04.02

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