BfR-Jubiläum - Experten diskutierten über Fragen der Risikobewertung

  • 23.11.2007
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  • Redaktion

„Rechtfertigen gefühlte Risiken staatliches Handeln?“ war die Frage, die es auf einer Veranstaltung anlässlich des 5-jährigen Bestehens des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zu beantworten galt. Die Antwort der 200 Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Verbänden und Nichtregierungsorganisationen war eindeutig: Auch wenn Forschungsergebnisse ein sehr geringes gesundheitliches Risiko bei Lebensmitteln oder Produkten nahe legen, kann der Staat zum Handeln gezwungen sein, weil das Risiko in der Öffentlichkeit als groß empfunden wird.

Aus wissenschaftlicher Sicht beschreibt ein Risiko die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens. Gefühlte Risiken entstehen hingegen, weil Menschen die auf Mathematik und Statistik beruhenden Ergebnisse einer wissenschaftlichen Risikoabschätzung nicht oder falsch verstehen, weil es offensichtlich nicht gelungen ist, sie klar, verständlich und trotzdem differenziert zu kommunizieren.

Dies kann zu Ängsten vor Risiken führen, die wissenschaftlich gesehen sehr klein oder zu vernachlässigen sind. Das durch den Angstfaktor potenzierte gefühlte Risiko kann im Extremfall selbst zu einem Verhalten führen, das die Gesundheit gefährdet. So ist beispielsweise das gefühlte Risiko bei Rückständen von Pestiziden in Lebensmitteln bei deutschen Verbrauchern groß. Selbst wenn gesetzliche Rückstandshöchstmengen eingehalten werden, befürchten viele Menschen gesundheitliche Schäden, wenn sie solche Lebensmittel verzehren. Es ist aber selbst bei sporadischen Überschreitungen der Höchstmengen kein gesundheitliches Risiko wissenschaftlich erkennbar.

Wird dagegen auf bestimmte Pflanzenschutzmittel wie zum Beispiel auf Fungizide beim Anbau von Getreide verzichtet, können durch Pilzbefall Schimmelpilzgifte ins Korn gelangen. Von diesen Pilzgiften ist bekannt, dass sie Krebs auslösen. Daher sind Getreideprodukte aus pestizidfreiem Anbau wegen der möglichen Belastung mit diesen Giften keineswegs automatisch frei von gesundheitlichen Risiken. Viele Verbraucher empfinden sie aber dennoch als sicher.

Gefühlte, also nicht wissenschaftlich begründete Risiken gehören zum gesellschaftlichen Leben und prägen das Verhalten der Menschen im Alltag. Für die Politik sind sie real und dürfen nicht ignoriert werden. Um Krisen zu vermeiden, ist deshalb auch bei einem gefühlten Risiko staatliches Handeln nötig. Eine offene und verständliche Risikokommunikation, ist hierbei von zentraler Bedeutung. Wichtig ist, dass neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die einer Risikoabschätzung zugrunde liegen, auch die Kenntnislücken und Unsicherheiten in der Interpretation wissenschaftlicher Daten offengelegt werden.

Dies war in der Vergangenheit, z. B. beim Umgang mit BSE, nicht immer der Fall und hat zum Vertrauensverlust in die Institutionen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes geführt. Die Abteilung Risikokommunikation, in der sozialwissenschaftliches Know How mit naturwissenschaftlichem Wissen verknüpfen wird, hat deshalb die Aufgabe einen offenen und Vertrauen stiftenden Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und den verschiedenen gesellschaftlichen Interessengruppen zu gestalten.

Der ausführliche Bericht zur BfR-Jubiläumsveranstaltung ist auf der Internetseite des BfR unter www.bfr.bund.de zu finden. (23.11.07)

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