Prof. Dr. med. Christian Sina (l.), Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, freut sich über die Verstärkung durch Prof. Dr. rer. nat. Martin Smollich. © Alexandra Klenke-Struve / Universität zu Lübeck
Prof. Dr. med. Christian Sina (l.), Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, freut sich über die Verstärkung durch Prof. Dr. rer. nat. Martin Smollich. © Alexandra Klenke-Struve / Universität zu Lübeck

Neue Arbeitsgruppe Pharmakonutrition: Drei Fragen an ... Professor Martin Smollich

Prof. Dr. Martin Smollich wechselte diesen Sommer von der Praxishochschule Rheine an das Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Lübeck. Er leitet dort die neu gegründete Arbeitsgruppe Pharmakonutrition und wird dieses Thema zu einem Schwerpunkt aufbauen. Am Institut angesiedelt ist auch der Studiengang "Medizinische Ernährungswissenschaften". In Kooperation mit der Technischen Hochschule Lübeck und der ansässigen Fraunhofer-Einrichtung sollen in Lübeck künftig ernährungsmedizinische Innovationen vorangetrieben werden.

Herr Smollich, zum Wintersemester 2018/19 kommen viele neue Aufgaben auf Sie zu. Mit welchen Schwerpunktthemen befasst sich die neue Arbeitsgruppe Pharmakonutrition?

Smollich: Die Pharmakonutrition ist ein hochspannendes Zukunftsthema. Grundsätzlich geht es dabei um die Erforschung und Anwendung von Lebensmittelinhaltsstoffen, die nicht einen bestehenden Nährstoffmangel ausgleichen sollen, sondern die eigene pharmakologische Wirkungen besitzen. Damit verbindet die Pharmakonutrition die Teildisziplinen Pharmakologie, Ernährungswissenschaft und Ernährungsmedizin zu einem innovativen, interdisziplinären Forschungs- und Therapieansatz.

Im Fokus stehen dabei weniger die „klassischen“ Mikronährstoffe, als vielmehr sekundäre Pflanzenstoffe und Metaboliten des intestinalen Mikrobioms. So können bestimmte Lebensmittelinhaltsstoffe als Enhancer einer Strahlen- oder Chemotherapie fungieren, und gezielte Mikronährstoff-Supplementation kann die Verträglichkeit von Arzneimitteln erheblich verbessern. Durch die Beeinflussung des Darmmikrobioms ist es möglich, die Wirksamkeit von Arzneimitteltherapien wesentlich zu beeinflussen. Entsprechende Ansätze werden wir sowohl in der präklinischen Forschung als auch in klinischen Studien untersuchen. Was mich besonders freut: Am Institut für Ernährungsmedizin in Lübeck wird der neue Schwerpunkt Pharmakonutrition die bestehende Expertise in den Bereichen Molekulare Ernährung und Ernährungsmedizin in idealer Weise ergänzen.


Wodurch zeichnet sich für Sie der Campus in Lübeck besonders aus?

Smollich: Der Standort Lübeck besitzt eine ganz besondere Konstellation: An der Universität zu Lübeck gibt es den deutschlandweit einzigen Studiengang „Medizinische Ernährungswissenschaft“, und daneben in unmittelbarer Nähe die Technische Hochschule Lübeck (THL) mit dem Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen Lebensmittelindustrie“. In beiden Studiengängen werde ich meine bisherige Lehrerfahrung einbringen und möchte außerdem eine inhaltliche Brücke zwischen universitärer Ernährungsmedizin und anwendungsorientierter Forschung bauen. Daneben befindet sich auf dem Campus in Lübeck die Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie und Zelltechnik (EMB) mit herausragender Expertise in der Lebensmitteltechnologie.

Hinzu kommt: Die regionale Ernährungswirtschaft ist leistungsstark und sehr forschungsaffin aufgestellt. Und die Metropolregion Hamburg mit ihrem enormen kreativen und wirtschaftlichen Potenzial liegt direkt vor der Haustür. Durch die Verbindung all dieser Ressourcen möchten wir am Standort Lübeck ernährungsmedizinische Innovationen vorantreiben, in deren Fokus die zukünftige, optimale Versorgung von Menschen mit ernährungsbedingten Erkrankungen steht.


Bleibt neben der neuen Aufgabe noch Zeit für Ihren Ernährungsmedizin-Blog, auf dem Sie regelmäßig Hintergrundinformationen zu neuen Entwicklungen in der Ernährungsmedizin veröffentlichen und kommentieren?

Smollich: Die Zeit ist eine sehr begrenzte Ressource, erst recht angesichts der anstehenden neuen Herausforderungen. Trotzdem werde ich auch zukünftig Beiträge für den Blog verfassen. Diese Art der kreativen Arbeit macht mir sehr viel Spaß, und sie liefert zusätzlich einen fachlichen Mehrwert: Ich empfinde es als großes Privileg, mich durch meine Arbeit täglich mit den neuesten ernährungsmedizinischen Erkenntnissen beschäftigen zu können – daran möchte ich alle teilhaben lassen, die sich für innovative Entwicklungen interessieren, die im Berufsalltag aber nicht dazu kommen, sich detailliert mit Studien auseinanderzusetzen. Außerdem finde ich es sehr wichtig, öffentlich ein kritisches Gegengewicht zu jenen publizierten Meinungen anzubieten, hinter denen direkte ökonomische Interessen stehen. Viele Verbraucher sind von Zeitungsmeldungen à la „Pommes machen Krebs“ verunsichert und suchen im Internet Rat – dort möchte ich fundierte, seriöse und allgemeinverständliche Informationen bereitstellen. Die Rückmeldungen zum Blog zeigen mir, dass hier riesiger Bedarf besteht. All das ist eine große Motivation für mich, dieses Angebot fortzusetzen.

Das Interview führte Myrna Apel.


Zur Person

Nach dem Studium von Biologie und Pharmazie sowie Promotion im Fachgebiet Pharmakologie und Toxikologie war Martin Smollich fünf Jahre lang Ressortleiter Klinische Pharmazie mit klinischer Tätigkeit in einem großen akademischen Lehrkrankenhaus. 2013 erfolgte die Berufung als Professor für Klinische Pharmakologie und Pharmakonutrition an der Mathias Hochschule Rheine. Dort war er zugleich Leiter des ersten ernährungsmedizinischen Studiengangs in Deutschland. Seit Oktober 2018 leitet er die Arbeitsgruppe „Pharmakonutrition“ am Institut für Ernährungsmedizin in Lübeck. Martin Smollich ist Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) und Herausgeber des Fachblogs Ernaehrungsmedizin.blog.

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