Nitrofen in Futtermitteln

Am 24. Mai dieses Jahres war bekannt geworden, dass mit Nitrofen kontaminiertes Futter an Halter von Bio-Geflügel geliefert worden war. Am 1. Juni konnte die Kontaminationsquelle, ein Getreidelager in Malchin (Mecklenburg-Vorpommern), ermittelt werden (vgl. Ernährungs-Umschau 49 (2002) S. 240). Das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) hält es inzwischen jedoch nicht mehr für ausgeschlossen, dass noch weitere Quellen für die Nitrofen-Verschmutzungen in Frage kommen. Auch im Getreide eines Thüringer Händlers konnte Nitrofen nachgewiesen werden. Der Gerstenschrot stammte aus einem sächsischen Mischfutterwerk.

Wie am 5. Juni bekannt wurde, war bei den laufenden Ermittlungen festgestellt worden, dass die Lagerhalle in Malchin schon im Jahr 1999 als Getreidelager für die konventionelle Landwirtschaft genutzt worden. Am 7. Juni wurde das BMVEL darüber informiert, dass bereits am 31. Juli 2001 aus den Malchiner Lagerhallen etwa 20 t Futtergerste verladen und am 1. August bei einem niedersächsischen Futtermittelhersteller abgeladen worden sein sollen. Die Europäische Kommission wurde am 8. Juni 2002 über den neuen Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. Am 10. Juni beschloss die Regierung Belgiens Maßnahmen zur Beschränkung der Einfuhr von Futter- und Lebensmitteln aus Deutschland wegen möglicher Nitrofen-Belastungen. Diese wurden jedoch wieder aufgehoben, nachdem die EU-Kommission am 11. Juni keine Sanktionen gegen Deutschland einleitete. Die deutschen Maßnahmen seien zufriedenstellend und die Quelle der Nitrofenverseuchung sei eindeutig eingegrenzt worden, so die Begründung.

Am 12. Juni informierte das Landwirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern das BMVEL über weitere positiv getestete Rückstellproben von Weizen (72 t) aus der Lagerhalle in Malchin. Der belastete Weizen war zu insgesamt 9000 t konventionellem Futtermittel für Schweine, Hennen und Rinder verarbeitet worden. Daraufhin wurden mit sofortiger Wirkung über 400 landwirtschaftliche Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern sowie 8 in Brandenburg und 6 Handels- und Tierhaltungsbetriebe in Niedersachsen gesperrt, an die das Getreide ausgeliefert worden war. Insgesamt waren bis zu diesem Zeitpunkt 499 Betriebe in sieben Bundesländern gesperrt worden. Nach ersten negativen Testergebnissen wurde die Sperrung von 78 Betrieben wieder aufgehoben (Stand 25.06.2002).

Für die vollständige Aufklärung des Nitrofen-Skandals haben Bund und Länder vier Arbeitsgruppen gegründet. Nach Angaben von Verbraucherschutzministerin Künast soll eine "Task Force" die Warenströme von Getreide und Futtermittel nachvollziehen, alle betroffenen Betriebe identifizieren und die Ursachen für die Nitrofen-Verseuchung herausfinden. Die anderen Arbeitsgruppen werden sich u. a. mit dem ökologischen Landbau und Rechtsfragen befassen. Dabei sollen auch mögliche Änderungen im Futter- und Lebensmittelrecht geprüft werden.

Mit einer Eilverordnung vom 18. Juni bereitete Verbraucherschutzministerin Künast die Halbierung der Nitrofen-Grenzwerte für Säuglings- und Kindernahrung vor. Dabei soll die Grenze von 0,005 mg je kg sowohl für konventionelle als auch für ökologische Lebensmittel gelten.

Als Folge der Nitrofenfunde gründeten Vertreter der Öko-Landbauverbände, der ökologischen Lebensmittelverarbeitung und des Handels am 27. Juni 2002 den "Bund der Ökologischen Lebensmittelwirtschaft". Konkret wird er auf folgenden Arbeitsgebieten tätig werden:

  • Weiterentwicklung von Qualitätssystemen für eine ökologische Lebensmittelerzeugung durch zielgerichtete, branchenübergreifende Zusammenarbeit zwischen Mitgliedsverbänden und Unternehmen,
  • Verbesserung der Kommunikationsstruktur unter den Mitgliedern, mit Behörden und VerbraucherInnen für einen schnelleren Austausch von Informationen,
  • Organisation gemeinsamer Initiativen zur Einflussnahme auf die Gestaltung von politischen Rahmensetzungen im Bereich des Lebensmittelrechts, der EG-Ökoverordnung und der gemeinsamen EU-Agrarpolitik,
  • Initiierung sowie Unterstützung von Forschung und Entwicklung für die Bereiche Erzeugung und Verarbeitung im Ökologischen Landbau.

Auf das Kaufverhalten der Verbraucher hat der Nitrofen-Skandal bisher nur beschränkte Auswirkungen. Bei einer Umfrage des Münchener polis-Instituts Mitte Juni gab knapp jeder Zehnte von 1015 Menschen an, seit Bekanntwerden des Skandals weniger Bio-Produkte zu kaufen. 4 % verzichten nun ganz auf solche Produkte. Dagegen setzen 44 % weiterhin auf Öko-Lebensmittel. 41 % erklärten, noch nie Bio-Produkte gekauft zu haben. EU07/02

Weitere Kurzberichte finden Sie in Ernährungs-Umschau 07/02 ab Seite 283.

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