Adipositas: Neue Wege in Forschung und Therapie

Bereits vor vielen Jahren hat die WHO Adipositas als eine chronische Erkrankung eingeordnet, doch in Deutschland wurde Adipositas von Behörden und Krankenkassen bislang nicht als Krankheit anerkannt, sondern allenfalls als Risikofaktor für die Entstehung von Folgeerkrankungen.

„Dies hat nicht nur Nachteile für die Betroffenen erbracht, sondern auch für die Forschung, denn bislang wurde Adipositas nicht explizit im Rahmen klinischer Forschung unterstützt,“ sagte Prof. Dr. Stephan C. BISCHOFF, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin der Universität Hohenheim in Stuttgart, anlässlich der „Ernährung 2010“ in Leipzig. Dies habe sich mit dem Klinischen Kompetenznetzwerk Adipositas zum Positiven hin geändert.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert seit 2008 acht ausgewählte Forschungsverbände in Deutschland, die gezielt Adipositasforschung betreiben. Daraus ist ein neues Kompetenznetz Adipositas in Deutschland entstanden. Das Forschungsprojekt ist auf zwölf Jahre angelegt und wird in der Anschubphase mit 10 Mio. € gefördert.

Dazu gehört unter anderem der Forschungsverbund „Obesity and the Gastrointestinal Tract“ (OGIT). „Das Essverhalten wird über das Gehirn und durch Hormone gesteuert und beeinflusst dadurch den Aufbau von Fettgewebe. Es gibt jedoch Hinweise, dass auch der Magen-Darm-Trakt an der Steuerung der Gewichtszunahme beteiligt ist“, sagt Prof. BISCHOFF, der Sprecher des OGIT ist. Neben Appetitzüglern, die das Essverhalten über das Gehirn bremsen sollen, könne eine zukünftige Generation von Medikamenten auch über den Magen-Darm-Trakt (Gastrointestinaltrakt) wirken. Dies ist jedoch noch in der Erforschung und bis zur praktischen Anwendung ist es noch ein weiter Weg.

In dem Projekt werden neben der Grundlagenforschung auch Therapieverbesserungen entwickelt und Patienten direkt mit einbezogen. Ziel des Forschungsverbundes ist, die Rolle des Magen-Darm-Traktes für die Entstehung und Behandlung von Adipositas durch in-vitro- und in-vivo-Ansätze mit geeigneten Tiermodellen zu untersuchen. Ebenso sollen die gewonnenen Erkenntnisse auf den adipösen Menschen übertragen werden, indem definierte Interventionen zur Gewichtsreduktion („Very-low-Calorie-Diet“ basierende Programme beziehungsweise bariatrische Chirurgie – Eingriffe zur Erleichterung einer Gewichtsreduktion) beim Menschen eingesetzt werden.

Insbesondere soll geklärt werden, ob der Magen-Darm-Trakt ein neues Zielorgan für zukünftige Interventionen sein könnte, ob pathophysiologische (krankhaft veränderte Körperfunktionen) Veränderungen im Gastrointestinaltrakt bisherige diätetische Ansätze oder chirurgische Strategien modifizieren könnten. Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Adipositas und Gastrointestinaltrakt könnten somit sehr nützlich für zukünftige Management-Strategien zur Prävention oder Behandlung von Adipositas sein. Quellen: Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin, Newsletter Juli/August, Kompetenznetz Adipositas, Meldung vom 12.05.2009

Den Artikel finden Sie in Ernährungs Umschau 10/10 auf Seite 520.

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