Alimentum ultimum 03/02 (Das letzte Gericht)

Johannes

Am Aschermittwoch war gar nichts vorbei. Das falsche Signal hatte nicht der SC Schalke 04 gesetzt, sondern das Eichstädtische Domkapitel. Sofort nach der Kandidatenkür war es in Berlin aufgetaucht und als missionierende Vorhut betrachtet worden. Doch deshalb gleich am Rosenmontag als Viktualienmarktfrau bzw. mit Lederhose, Janker und Gamsbart am Lodenfilzhütchen in die "Ständige Vertretung" am Schiffbauerdamm zu gehen und unter lauter Wertkonservativen vom Rhein a Radi, a Weißwurscht und a Maß Erdinger Weißbier zu bestellen, war unangebracht. A Salzbrezln zu verlangen, hatten sich meine Berliner Cousine Elvira und ihr Erwin wegen Djordsch Dabbeljus Erstickungsanfall zwar verkniffen, aber sie hatten die hauptstädtische Sonntagsfrage gestellt "Ham wa noch ne Mark"?

Machen wir’s kurz: Wieder zu sich kamen beide anderentags in den Kulissen vom Berliner Ensemble. Bühnenarbeiter schworen, mit ihrem Beckstein-Song "Lieber ‘ne dicke Akte als ‘ne dünne Nackte" seien sie als der ausgefallenste Gag von Klaus Peymann bejubelt worden. Um den Universitätsstatus nicht zu gefährden, schickte die Charité einen beflissenen Studenten mit Physikum vorbei, der sie zur Beobachtung in ein gepolstertes Zimmer einwies. Leider muss das neue "headquarter-team" zum Lachen in den Keller gehen. Trotz der Pressemitteilung des "DIET", dass so etwas mit dem Tode enden könne, veranlasste es lieber Heilfasten an Preußens Südgrenze: für Erwin bei barocken Klosterbrüdern in Neuzelle, für Elvira bei frommen Schwestern in Alexanderdorf. "Der Hausfriedensbruch im Lichte aktueller Probleme", des Kandidaten Doktorarbeit, lag neben der Bibel im Nachttisch. Actum ut supra!

Powered by stupidity setzten Werbetexter derweilen ungeniert auf mangelhafte Schulkenntnisse. Wie sich angehende Lehrer bei Jauch blamierten, ließ selbst post Pisam eine baldige Wende in der Volksbildung nicht befürchten. Schade, dass die allwissenden Wortklauber eher Auskunft über Aufschlagzünder als über Schnupfenkiller (Zink/Histidin) oder Transporter (GLA) begehren, die Wasser aus dem Bauch in trockene Körperhaut befördern (Gamma-CarboxygLutAmat oder Gamma-Linolenic Acid oder Gastrointestinal-Liquid Advancer?) Denn so kann von der Werbung vermitteltes Ernährungswissen ja nicht offenbar werden.

Oder lägen bei Fragen zur Ernährung Geschäftsinteressen des Senders im Widerstreit, etwa bei solchen nach dem Anregen von Hirn- und Nervenfunktionen durch Nahrungsfaktoren? Sollten künftig Physikprofessoren auf Spekulationen über quantentheoretisch mögliche magnetische Monopole verzichten und statt dessen in die Lehre von magnetischen Feldern und Erscheinungen Fettmagneten einbeziehen, wo diese doch selbst gut getarnte Nahrungsfette aufspüren und wegsaugen? Wer soll das Apothekern bei der steigenden Flut von OTC-Artikeln denn sonst beibringen, von damit konfrontierten Ernährungsberatern ganz abgesehen? Ich jedenfalls bin des medialen Gejammers über "Deutschlands dicke Kinder" und "immer mehr Superdicke" müde, gleichsam allerdings des über "Deutschlands abgemagerte, ausgezehrte und allein gelassene dünne Senioren". Ach, und des närrischen Treibens in Deutschlands Politik und Wirtschaft auch. EU03/02

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