Alimentum ultimum 06/02 (Das letzte Gericht)

Johannes

The trumpet shall sound"! Der meiner Berliner Cousine Elvira angetraute Erwin psalmodiert es mit der Genugtuung, wieder einmal einen Kasten Krombacher geleert und damit einen Quadratmeter Regenwald gerettet zu haben. "Halleluja"! schmettere ich den Händel fort und "dass nicht der Regenwald verderbe, sorgt brav das deutsche Braugewerbe". Vor dem "Amen" erflehe ich vom Messias indes noch profitable Überschüsse und den Bau einer Trinkerheilanstalt, so denn die erkorene afrikanische Region als gänzlich erhalten geblieben gelten könne.

Elvira allerdings pocht auf die Rechtschaffenheit des Deutschen Brauer-Bundes und wird mit jüngst in die Laienpresse lancierten Ergebnissen einer Studie der Erasmus-Universität Rotterdam ausfällig. Hätte ich in meinem Leben mehr gesoffen, pöbelt sie mich an, wäre meine dementia senilis jetzt nicht so offenkundig. Zwar fällt es mir schwer, die Contenance zu wahren, aber nun fahre ich als schweres Geschütz Men’s Health Nr. 6 vom Juni mit den 75 besten Tipps für Männer auf. Genauer mit den ultimativen Antworten auf Fragen, warum Frauen so oft heulen, der Penis beim Sport schrumpft und nicht alle Menschen kitzlig sind. Ob Elvira etwa gewusst hätte, dass es 36 Kriterien gibt, die ein glückliches, und 9, die ein gesundes Männerleben ausmachen? Als Grundlage nämlich für optimale Testosteronwerte, wenn sie wisse, was das bedeute. In Bezug auf die Ernährung punkte da nur die Zahl der Reformhäuser und Bioland-Verkaufsstellen pro Einwohner. Von Alkohol, von mir aus auch von Bier, sei jedenfalls nicht die Rede. Kein Wunder, dass in der entsprechenden Rangliste deutscher Städte Berlin nur den 56. Platz einnehme.

Erwin will der männersachverständigen Autorin daraufhin schwache Augen wegen des Verzehrs von zu viel rasch verdaulicher Stärke zugestehen. Jedenfalls sei im Kanzleramt ernsthaft die Frage diskutiert worden, ob südlich des Weißwurstäquators Politiker kurzsichtiger sein könnten als nördlich davon. Schließlich habe die FAZ am 24.04. damit aufgemacht, dass Insulin den Augapfel wachsen lasse. Und den Zusammenhang zwischen Mehlspeisen und Insulinspiegel kenne heute selbst jeder zweite Hinterbänkler.

Selbigen Tages, merke ich an, habe übrigens Die Zeit ungeniert "Fette Lügen" verbreitet und sich damit ebenso wie vorher die Öffentlich-Rechtlichen aus Furcht vor mangelnder Nachfrage unter die Quotenschleimer begeben. "Schriftgelehrte", die nie selbst geforscht und eigene Resultate zur Diskussion gestellt hätten, kämen doch keineswegs öffentlich zu Wort, wenn man ihnen nicht uneigennützige Wahrheitssuche unterstellte und ihre kruden Interpretationen ernährungswissenschaftlicher Veröffentlichungen nicht zielgerichtet zu spektakulären Verdikten führten. Pecunia sic in quosdam homines quomodo denarius in cloacam cadit . EU06/02

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