Editorial 01/03: Zwischen BSE und Dosenpfand

Helmut Erbersdobler, Kiel

Prof. Dr. Helmut ErbersdoblerWer hatte schon vor einem Jahr erahnen können, womit sich Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaftler sowie Ernährungsfachkräfte im Jahr 2002 befassen mussten? Damals waren wir noch auf das Problem BSE fixiert, heute werden diese nach 236 Fällen bis zum 31.12.2002 in Deutschland nur noch in einschlägigen Fachzeitschriften gezählt. Viel stärker haben uns der "Euro-Preis-Schock", der Nitrofen-Skandal und vor allem das Acrylamid beunruhigt, und sie nehmen uns immer noch in Anspruch. Dazu kommt jetzt noch das Dosenpfand.

Was von den Themen des letzten Jahres in unserer kurzlebigen Zeit Bestand haben wird, lässt sich – wie man an BSE sieht – nicht voraussagen. Vermutlich wird die "Grüne Gentechnik" dazu zählen. Die kürzlich beschlossene Regelung, Verunreinigungen mit gentechnisch verändertem Material in Höhe von 0,9 % in Lebensmitteln zu tolerieren, entspricht in etwa den Vorstellungen der Wissenschaft. So hatte die Deutsche Forschungsgemeinschaft als Grenzwert 1 % vorgeschlagen. Nun muss sich zeigen, ob die neuen gesetzlichen Regelungen eine solide Basis für einen sorgenfreien Umgang der Bevölkerung mit Lebensmitteln bilden werden.

Aber auch die Acrylamid-Problematik wird in Wissenschaft und Wirtschaft intensiv bearbeitet. Wenn wir diese vermutlich auch nicht ganz lösen werden , können wir doch Lebensmittel mit deutlich verminderten Gehalten erwarten. Es wäre schön, wenn die Arbeiten daran ohne das inzwischen fast übliche Skandal-Spektakel vonstatten gehen könnten. Insgesamt bleibt festzuhalten: "Skandale", die es immer geben wird, lassen sich nicht vorhersagen.

Im Hinblick auf die Prävention ernährungsmitbedingter Erkrankungen ist zu hoffen, dass unter dem neu geschärften Preisbewusstsein der Verbraucher nicht der Verzehr "gesunder" Lebensmittel leidet, also der von Gemüse und Früchten sowie Seefisch. Mit Sicherheit aktuell bleiben Fragen der Ernährung und der Prävention chronischer Erkrankungen, insbesondere bei Kindern und älteren Menschen. Entscheidend wird sein, ob genügend Gelder aus den ohnehin sehr knapp bemessenen Kassen für Präventionsmaßnahmen abgezweigt werden können.

Um dies alles zu bewältigen und darzustellen, brauchen wir seriöse Medien, die unser Wissen transportieren. Und die Vermittlung gelingt nur, wenn Wissenschaftler weiterhin und häufiger als bisher verständlich geschriebene Artikel in Zeitschriften wie der Ernährungs-Umschau veröffentlichen. Allzu Impact-Factor-Beflissene seien daher an die Worte Lessings erinnert:

Wer wird nicht einen Klopstock loben? Doch wird ihn jeder lesen? – Nein. Wir wollen weniger erhoben und fleißiger gelesen sein.

Natürlich sind wissenschaftliche Publikationen in englischsprachigen Zeitschriften erforderlich, aber auch die informative Übersichtsarbeit in deutscher Sprache darf nicht vernachlässigt werden. Lassen Sie es uns angehen!

In diesem Sinne ein frohes, gesundes und erfolgreiches Jahr 2003.

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