Editorial 02/02: Reform des europäischen Lebensmittelrechts

Sabine Fankhänel, Frankfurt

Sabine Fankhänel, ChefredakteurinSeit dem 31. Januar besteht ein Importverbot für zahlreiche Erzeugnisse tierischen Ursprungs aus China. Damit folgte die Europäische Kommission einer Stellungnahme des Ständigen Veterinärausschusses vom 26. Januar. Inspektoren des Lebensmittel- und Veterinäramtes der EU hatten China Ende letzten Jahres besucht, um die dortigen Rückstandskontrollen bei lebenden Tieren und tierischen Erzeugnissen zu prüfen. Nachdem in mehreren EU-Ländern Chloramphenicol in Shrimps und Garnelen aus China nachgewiesen worden war, hielt die Kommission diese Sicherheitsvorkehrungen für erforderlich. Betroffen von dem Verbot, das mindestens bis Ende Februar gilt, sind insbesondere Kaninchenfleisch, Geflügelfleisch, Honig, Muscheln, Krebstiere, gefrorene Krabben und Garnelen sowie Heimtierfutter. Ausgenommen sind Fischereiprodukte aus der Hochseefischerei und Därme.

Dieses Beispiel zeigt: Die Europäische Union benötigt ein funktionierendes System zur Überwachung von Lebensmitteln. Selbstverständlich gilt das nicht nur für Einfuhren, sondern auch für den Binnenmarkt. Denn dass hier vieles im Argen liegt, haben die "hausgemachten" Lebensmittelskandale der letzten Jahre gezeigt. Daher forderte das im Januar 2000 von der Europäischen Kommission vorgelegte Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit eine Modernisierung des Lebensmittelrechts, ein abgestimmtes und transparentes Regelwerk, eine verschärfte Überwachung der Lebensmittelkette vom Erzeuger zum Verbraucher und eine Steigerung der Effizienz des wissenschaftlichen Beratungssystems der EU.

Nun sind die Weichen für ein umfassenderes EU-Lebensmittelrecht gestellt. Nach der Verabschiedung durch den Agrarrat wurde die "Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit" im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht (http://europa.eu.int/eur-lex/de/oj/ – Amtsblatt L31/1, vgl. S. 51 ff.).

Artikel 1 definiert das Ziel: "Diese Verordnung schafft die Grundlage für ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit des Menschen und die Verbraucherinteressen bei Lebensmitteln unter besonderer Berücksichtigung der Vielfalt des Nahrungsmittelangebots, einschließlich traditioneller Erzeugnisse, wobei ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes gewährleistet wird. In ihr werden einheitliche Grundsätze und Zuständigkeiten, die Voraussetzungen für die Schaffung eines tragfähigen wissenschaftlichen Fundaments und effiziente organisatorische Strukturen und Verfahren zur Untermauerung der Entscheidungsfindung in Fragen der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit festgelegt."

Der Begriff Lebensmittel wird in Artikel 2 definiert: "Im Sinne dieser Verordnung sind ‚Lebensmittel‘ alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, das sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Zu ‚Lebensmitteln‘ zählen auch Getränke, Kaugummi sowie alle Stoffe – einschließlich Wasser –, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Verarbeitung absichtlich zugesetzt werden." Nicht zu den Lebensmitteln" gehören Futtermittel, lebende Tiere (soweit sie nicht für das Inverkehrbringen zum menschlichen Verzehr hergerichtet worden sind), Pflanzen vor dem Ernten, Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG des Rates, kosmetische Mittel im Sinne der Richtlinie 76/768/EWG des Rates, Tabak und Tabakerzeugnisse im Sinne der Richtlinie 89/622/EWG des Rates, Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe sowie Rückstände und Kontaminanten.

Neu geschaffen wird eine Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EBLS bzw. engl. EFSA), die die EU-Gremien im Hinblick auf die Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln beraten wird. Nach den derzeitigen Planungen soll sie ihre Arbeit noch in diesem Herbst aufnehmen; als vorläufiger Amtssitz wurde Brüssel bestimmt.

Allerdings reichen diese Maßnahmen nach Ansicht von David Bryne, dem Europäischen Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz, nicht aus. Mitte Januar forderte er beim Besuch der Grünen Woche in Berlin einen neuen Ansatz im Bereich der amtlichen Kontrollen. Die letzten Jahre hätten gezeigt, dass die nationalen Kontrollsysteme der Mitgliedstaaten häufig nicht optimal funktionieren. Die bisherigen Kontrollen in der EU bezeichnete Bryne als zusammenhangloses Flickwerk. Daher will er in den nächsten Monaten Reformvorschläge machen mit dem Ziel der Schaffung

  • klarer gemeinschaftlicher Rahmenbedingungen für Kontrollsysteme mit genauer Festlegung der jeweiligen Kompetenzen von Mitgliedstaaten und Kommission sowie
  • eines harmonisierten, koordinierten und effizienten Kontrollsystems für Lebens- und Futtermittelimporte.

Das macht deutlich: Zwar sind zahlreiche Forderungen des Weißbuches schon umgesetzt worden, aber vieles ist noch zu tun. Die Praxis wird zeigen, ob die neuen Rechtsvorschriften zu mehr Sicherheit in der gesamten Lebensmittelkette führen.

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