Alimentum ultimum 01/02 (Das letzte Gericht)

Johannes

Nicht nur Weicheier mögen weiche Eier. Nicht alle, die weiche Eier mögen, sind Weicheier. Weiche Eier mögende Weicheier mögen zwar Weicheier sein, aber ebenso andere Rundungen weich mögen. Weicheier, die keine weichen Eier mögen, sind trotzdem Weicheier. Dass weniger Frauen weiche Eier mögen als Männer, bedeutet nicht, dass sie Weicheier mögen. Als meine Berliner Cousine Elvira so herumeierte, war mir klar: Sie hatte die höchst überraschenden Ergebnisse einer längst überfälligen deutschen Eierstudie nicht verstanden.

Und mon dieu: Nur ganze 17 % der Deutschen bedienen sich des traditionellen Eierlöffels aus Perlmutt! 41 % köpfen zwar ihre Frühstückseier, aber 33 % schlagen die Schale mit Löffeln, Messern oder gar an ihrer Stirn ein, und sage und schreibe 54 % schaben die Eier mit Edelstahl aus. Der Verfall von Anstand und Benimm sei ohnehin nicht aufzuhalten, rechtfertigt Ehemann Erwin die eigene Stillosigkeit. Allerdings legt er Wert auf die Feststellung, seine Eier anders als Elvira hart gekocht zu mögen.

Ein anderer Streitpunkt in der Zusammenstellung des Frühstücks war während ihres letzten südbayerischen Ferienaufenthalts Joghurt mit Johanniskraut und Melisse gewesen. Elvira, ganz auf den ARD-Frühstücksprofessor SCHWANKHOFER fixiert, setzte voll auf die von diesem mit scheinbar göttlichem Sendungsbewusstsein als beruhigendend und ausgleichend gepriesene Wirkung der ausgelobten Gesundheitskräuter. Erwin hingegen wollte das gemeinsame Frühstück durch Honigwein mit 17,5 Vol % Alkohol, multifloralen Gebirgsblütenpollen, Weizenkeimextrakt, Hagebutten- und Holunderbeerenkonzentrat sowie Gelee Royale und Hefe-Autolysat ergänzt wissen. Den Vertrieb dieses "Vitalstoff-Komplexes" untersagte jedoch als wettbewerbswidrig noch im August ausgerechnet das OLG München. Dies hat selbst den Kanzleramtsbeamten Erwin bis heute bewogen, beharrlich die K-Frage zu stellen, weil so etwas, wie er meint, "bei Preussens anders gelaufen wäre".

Bei den rot-roten Berliner Perspektiven sah Erwin nämlich am Beginn des eine ungewisse Währung und Bundestagswahl bringenden neuen Jahres überall und an allem Mangel: an Arbeit, Geld, Bildung, Auto- und Eisenbahnen, Soldaten, Sicherheit, medizinischer Versorgung, sozialer Gerechtigkeit und nicht zuletzt an Nähr- und anderen gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen in seinem täglich Brot. Schon geneigt, dem Rat zum täglichen Einwerfen einer Multivitamintablette zu folgen, vom Discounter, versteht sich, flatterte ihm zum Jahreswechsel amtlich die Knorr-Frage auf den Tisch :"Warum Vitamine in die Suppe?" Da kam mit der Erinnerung an den jungen, damals noch medial unbedarften Franz BECKENBAUER ("Kraft in die Knochen, Knorr auf den Tisch!") sofort Freude bei ihm auf.

Die vom Fragesteller selbst erteilte Antwort versprach zudem mit einem bürotauglichen Convenience-Produkt nicht nur Wärme, Genuss, Geborgenheit und Entspannung, sondern auch eine Verbesserung der individuellen Nährstoffbilanz. Resigniert riet ich zur ergänzenden Nahrungsergänzung mit Glückshormonen im Nachtisch und dachte wehmütig an die Schokolade von den glücklichen lila Kühen im vorjährigen Sommerurlaub. EU01/02

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