Editorial 05/14: Es liegt an den Genen!

Dr. Udo Maid-Kohnert

So oder ähnlich lautet eine oft gebrauchte Begründung dafür, warum die Anzeige der Badezimmerwaage seit Wochen mal wieder einem falschen Trend folgt. Die Gene sind´s – also nicht die zurückliegenden Ostertage mit der einen oder anderen zusätzlichen Nascherei oder die eröffnete Grillsaison mit ihren kulinarischen Verlockungen.

Nun sind unsere Gene tatsächlich für vieles „verantwortlich“, und insbesondere zum Zusammenhang von Ernährung und Körpergewicht wurden in den letzten Jahren viele genetische Grundlagen entdeckt. Grund für uns, das für manche etwas spröde oder zu naturwissenschaftliche Thema „Genetik“ als Themenspecial aufzugreifen. Als „Basiswissen aktualisiert“ mit molekularen Grundlagen ab S. M258 und in der Online-Fortbildung ab S. M266, die besonders den Aspekt Ernährung und Genetik zum Inhalt hat.

Eine plausible Erklärung, warum wir so gerne naschen und uns so schwer damit tun, die „gespeicherte“ Nahrungsenergie z. B. durch mehr Bewegung wieder zu verbrauchen, liefert die „thrifty genotype“-Hypothese: Unser gesamter genetischer Apparat und der daraus resultierende Stoffwechsel sind „thrifty“, also auf Sparsamkeit programmiert. Eine Folge der menschlichen Evolution, die bis vor wenigen Jahrzehnten unter Bedingungen der Nahrungsknappheit und nicht des Überflusses stattfand.

Eigentlich beschreibt „thrifty“ dabei nur eine Seite der Medaille: Neben dem Einsparen umfasst das genetische Programm auch „essen, wenn etwas da ist und nutzen, was man hat – wer weiß, wann man wieder was findet!“. Im Volksmund gibt es dafür den Spruch „Nach mir die Sintflut!“. Und genau da beginnt das Problem: In der Evolution gibt es keine Selektion auf Nachhaltigkeit – schon gar nicht über den Zeitraum von mehreren Generationen. Verbrauchen und (selbst) nutzen, diesem Programm folgt die Spezies Mensch auch bei anderen Ressourcen.

Andere Menschen (Länder, nachfolgende Generationen) mögen sich gefälligst hinten anstellen – wenn dann noch was da ist! Der aktuell vorgelegte dritte Teil des UNO-Weltklimaberichts1 zeigt die globalen Auswirkungen dieses Verhaltens: „Trotz Klimaschutzanstrengungen sind die weltweiten Treibhausgas-Emissionen (THG) durch Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum mit zunehmender Geschwindigkeit angestiegen. Sie erreichten in dieser Dekade einen Höchststand.“

Aber halt – irgendwie hat sich im Zuge der Evolution ja der menschliche Verstand entwickeln können, und damit unsere Möglichkeit, auch langfristige Zusammenhänge zu erkennen und im eigenen Handeln zu berücksichtigen. Schon früh begannen die Menschen im Gegensatz zu den meisten Tieren ja auch, u. a. mit Vorräten für schwierigere Zeiten vorzusorgen, sich also Gedanken um ihre Zukunft zu machen. Wir haben demnach eine Chance auf Veränderung, sowohl was unser Ernährungs- und Bewegungsverhalten angeht als auch den Umgang mit den übrigen Lebensgrundlagen wie Wasser, Boden und Klima!

Also: Jetzt aktiv werden und langfristig denken ist angesagt. Auch das haben Sie in den Genen!

Ihr Udo Maid-Kohnert

Das Editorial finden Sie auch in Ernährungs Umschau 05/14 auf Seite M233.

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