Zu guter Letzt 07/15: Vorsicht! Dehydratationsgefahr

Trinken, bevor der Durst kommt! Nicht nur an heißen Sommertagen, sondern am besten immer: im Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter – morgens, mittags, abends – sagen uns mit Verweis auf die vorliegenden wissenschaftlichen Forschungsergebnisse die diversen Hydrationsinstitute. Schließlich wollen die Abfüllanlagen ganzjährig gleichermaßen ausgelastet sein.

Und da tagsüber in Schule, Büro und Freizeit fast alle Trinkgelegenheiten ausgeschöpft sind, werden wir demnächst ermutigt, doch bitte schön nachts den Trinkwecker zu stellen. Ein bisschen Angst zu machen und statt von Durst von Dehydratation und drohenden Hitzeschäden zu sprechen, belebt nicht nur den Geist, sondern auch das Geschäft. Zum Glück tun wir uns schwer damit, den Zustand auszudrücken, wenn wir genug getrunken haben. Das vom Duden als Analogie zu „satt“ vorgeschlagene „sitt“ nehmen wir bisher nicht in den Mund. Auch bieten gesunde Nieren mit einer geschätzten Ausscheidungskapazität von 10 L Wasser pro 24 Stunden reichlich Spielraum und eine gute Basis für weitere Wachstumsfantasien und -potenziale der Getränkeindustrie – da geht ganz unbedenklich noch etwas mehr hinein und hindurch.

Da Verbraucher/-innen bisher allerdings kaum gewillt sind, Trink- und Mineralwasser ständig über den Durst zu trinken, wurden und werden reichlich Trinklockstoffe geschaffen und unseren Getränken zugesetzt: Zucker, Vitamine, Aroma- und Farbstoffe, Zitronensäure, Cola- und andere Pflanzenextrakte, Taurin, Koffein – der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt.

Auch wenn jetzt Sommer ist, lassen wir die Kirche doch bitte im Dorf: Mit dem Durstgefühl verfügen wir über ein jahrtausendealtes, physiologisch feingetuntes Signal, das die Menschheit – ausreichende Wasserverfügbarkeit vorausgesetzt – sicher vor dehydrierten Zuständen und Delirium schützt. Notfalls nehmen wir unser eingebautes Augen-Photometer zur Hilfe und werfen einen Blick auf die aktuelle Urinfarbe (Skalen hierzu im Internet).

Natürlich müssen Eltern darauf achten, dass ihre Kinder beim Spielen an heißen Tagen das Trinken nicht vergessen, natürlich sollten wir ausreichend hydriert den Marathonlauf beginnen und Hochbetagte mit vermindertem Durstempfinden zum Trinken animieren. Aber müssen gesunde Studenten/-innen in gekühlten Hörsälen wirklich ständig an der Getränkeflasche hängen?

Ihr Helmut Heseker



Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 07/15 auf Seite M432.

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